Selektion
Den Evolutionsfaktor Selektion mit all seinen Arten und Typen erklären wir dir hier im Beitrag und in unserem Video!
Inhaltsübersicht
Was ist eine Selektion?
Selektion ist der Prozess, bei dem die am besten angepassten Individuen einer Art überleben und ihre Merkmale weitergeben.
Da in der Natur immer die am besten angepassten Lebewesen überleben, sorgt Selektion dafür, dass sich Arten über viele Generationen hinweg immer besser an ihre Umwelt anpassen. Dadurch setzen sich bestimmte Eigenschaften innerhalb einer Population stärker durch. Sie ist damit ein zentraler Mechanismus der Evolution.
Beispiel: Die weißen Schneehasen sind im Schnee gut getarnt und werden seltener von Fressfeinden wie Adlern erkannt. Ein brauner Feldhase würde in einer Schneelandschaft hingegen leicht entdeckt werden. Dafür ist er im Wald getarnt und vor Fressfeinden besser geschützt. Das ist die „natürliche Selektion“.
Übrigens: Der Begriff „Selektion“ aus dem Lateinischen und bedeutet „Auswahl“ oder „Auslese“.
Selektionsarten
Die natürliche Selektion ist aber nur eine der drei möglichen Selektionsformen:
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Natürliche Selektion: Die natürliche Auslese durch die Umwelt.
- Sexuelle Selektion: Ist der Fortpflanzungserfolg eines Individuums (z. B. imponierendes Federkleid männlicher Pfaue).
- Künstliche Selektion: Meint vor allem die gezielte Auslese durch den Menschen (z. B. Kleintierzucht).
Natürliche Selektion
Selektion, auch natürliche Auslese genannt, ist der Evolutionsprozess, bei dem die am besten an ihre Umgebung angepassten Organismen überleben. Sie geben ihre Gene weiter, während weniger gut angepasste Individuen nach und nach aussterben. Der Begriff „natürliche Selektion“ wurde von Charles Darwin geprägt.
Damit diese natürliche Auslese durch die Umwelt stattfinden kann, müssen zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Jede Art bringt mehr Nachkommen hervor, als für ihre Erhaltung notwendig ist.
- Die Nachkommen unterscheiden sich in ihren Merkmalsausprägungen (Phänotypen).
Die genetische Vielfalt einer Art kommt nur über zwei Evolutionsfaktoren zustande:
- Mutationen: Sie liefern neues genetisches Material.
- Rekombinationen: Sie sorgen für eine Durchmischung und Neukombination des vorhandenen Materials im Zuge der sexuellen Fortpflanzung.
Dass sich die am besten angepassten Individuen gegen weniger gut angepasste Individuen durchsetzten nennst du auch „survival of the fittest”.
Mit Fitness ist hier aber nicht die körperliche, sondern die biologische Fitness gemeint. Individuen, die wegen eines bestimmten Merkmals gut angepasst sind überleben eher und können sich fortpflanzen.
Selektiert wird hierbei also nicht primär nach Genen, sondern nach Aussehen (Phänotyp). Bei der Fortpflanzung geben die Individuen ihre Gene aber an ihre Nachkommen weiter. Sie liefern damit einen Beitrag zum Genpool, also Gesamtgenbestand, der nächsten Generation.
In der Populationsgenetik definierst du die Selektion daher als gerichtete Verschiebung von Gen- bzw. Allelhäufigkeiten im Genpool einer Population. Allele sind Varianten eines Gens, die für verschiedene Merkmalsausprägungen dieses Gens sorgen.
Selektionsfaktoren
Die natürliche Auslese findet über sogenannte Selektionsfaktoren statt. Du unterscheidest:
- Abiotische (unbelebte) Faktoren, wie Temperatur, Licht oder Wind.
- Biotische (belebte) Faktoren, wie Nahrung oder Konkurrenz.
Wenn ein Selektionsfaktor auf eine Population wirkt, bezeichnest du das als Selektionsdruck. Selektion kannst du in der Regel als gerichteten Evolutionsfaktor bezeichnen. Er gibt also vor zu welcher Merkmalsausprägung sich die Art entwickelt.
Beispiele:
- Auf windigen Inseln überleben mehr stummelflügelige oder flügellose Insekten an Stelle von Insekten mit Flügeln. Weil sie nicht so leicht vom Wind verweht werden wie Insekten mit Flügeln.
- Tiere in kalten Gebieten sind oft größer (Bergmannsche Regel) und haben im Verhältnis kleinere Körperanhänge (z.B. Ohren) als verwandte Arten in wärmeren Regionen (Allensche Regel). Ein Beispiel ist der Kaiserpinguin (Antarktis), der größer ist als der Galápagos-Pinguin (tropische Region).
- Tarnung zum Schutz vor Fressfeinden (z.B. durch Nachahmung: Mimikry und Mimese).
Natürliche Selektion Beispiel Birkenspanner
Schauen wir uns die natürliche Selektion am Beispiel des Birkenspanners an. Es handelt sich dabei um einen Schmetterling, von dem es heller gefärbte und dunkler gefärbte Exemplare gibt.
Birkenspanner leben vor allem auf Birkenstämmen, die normalerweise eine helle Färbung aufweisen. Hier sind die hellen Birkenspanner gut vor Fressfeinden getarnt und haben somit einen Selektionsvorteil gegenüber der dunklen Variante. Die helle Variante wird daher weniger häufig von Fressfeinden entdeckt und gefressen.
In Regionen mit viel Industrialisierung sind die Birkenstämme oft durch die Ruß- oder Staubablagerungen dunkel gefärbt. In diesen Gebieten findest du deswegen vermehrt Birkenspanner der dunkler gefärbten Sorte. Dort besitzen jetzt nämlich sie einen Selektionsvorteil. Das nennst du hier Industriemelanismus.
Insgesamt gilt: Die Birkenspanner, die sich jeweils am besten angepasst haben und somit vor ihren Fressfeinden getarnt sind, überleben und können ihre Eigenschaften an ihre Nachkommen vererben.
Sexuelle Selektion
Die sexuelle Selektion ist ein Spezialfall der innerartlichen Konkurrenz, auch intraspezifischen Konkurrenz genannt. Sie beschreibt die Auslese von Individuen innerhalb einer Art. Hier werden diejenigen bevorzugt, die im Vergleich zu ihren Geschlechtsgenossen erfolgreicher bei der Fortpflanzung sind.
Du unterscheidest hier zwei Arten:
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Intersexuelle Selektion:
Hier findet eine sexuelle Selektion durch die Partnerwahl zwischen den Geschlechtern statt.
Beispiel: Der männliche Pfau besitzt ein prächtiges Federkleid. Das macht ihn zwar für Räuber auffällig, beeindruckt aber gleichzeitig auch weibliche Pfauen.
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Intrasexuelle Selektion:
Hier handelt es sich um sexuelle Selektion, bei der sich Individuen innerhalb eines Geschlechts einer Art unterscheiden.
Beispiel: Bei Konkurrenzkämpfen von Männchen um ein Weibchen gibt es Merkmale, die einem Konkurrenten Vorteile verschaffen. Zum Beispiel das Geweih eines Hirschmännchens, das als Waffe genutzt wird. Oder die Mähne eines männlichen Löwen, welche ihn vor Verletzungen schützt.
Übrigens: Die sexuelle Selektion führt zu deutlichen Unterschieden zwischen Männchen und Weibchen einer Art. Du sprichst dann von Sexualdimorphismus.
Künstliche Selektion
Die künstliche Selektion (Zuchtwahl) bezeichnet den Prozess, bei dem Menschen gezielt bestimmte Merkmale bei Tieren oder Pflanzen auswählen und fördern. Auf diese Weise verstärken sie Eigenschaften, die sie für nützlich oder wünschenswert halten. Durch diese gezielte Züchtung können bestimmte Eigenschaften über Generationen hinweg verändert werden.
Beispiele für die künstliche Selektion sind:
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Domestikation (Zähmen von Wildtieren):
Der Hund als Jagdhelfer und Wächter ist das „Domestikationsprodukt” des Wolfes.
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Zuchtpflanzen / Zuchttiere:
Förderung besonderer Eigenschaften durch gezieltes Eingreifen vom Züchter in die nächste Generation. Dazu zählen unter anderem eine erhöhte Milchleistung bei gezüchteten Kühen. Aber auch gegen Krankheiten resistente Pflanzen oder Lebewesen in der Kleintierzucht.
Oft treten auch Merkmale bei der Zucht auf, die unter natürlichen Bedingungen von Nachteil wären, wie:
- Verkürzung der Beine (z. B. beim Dackel)
- Verkürzung des Gesichtsschädels (z. B. beim Mops)
- Verlust von Bitter- und Giftstoffen bei Zuchtpflanzen (z. B. bei Süßmandeln)
Selektionstypen
Die drei Selektionsformen (natürliche, sexuelle und künstliche Selektion) können jeweils in drei verschiedenen Selektionstypen auftreten:
- Stabilisierenden Selektion
- Transformierenden Selektion / gerichteten Selektion
- Disruptiven Selektion
Die Selektionstypen beschreiben, in welche Richtung der Selektionsdruck wirkt. Schauen wir uns die einzelnen Typen der Selektion im Folgenden anhand von Beispielen einmal genauer an:
Die X-Achse in allen Diagrammen beschreibt hier die Intensität der betrachteten Merkmalsausprägung und die Y-Achse die Anzahl der Individuen dieser Art.
Stabilisierende Selektion
Bei der stabilisierenden Selektion werden die Merkmale, die im Durchschnitt am besten an die Umwelt angepasst sind, bevorzugt. Extreme Merkmale, die zu weit vom Durchschnitt abweichen, sind dagegen im Nachteil.
Der Selektionsdruck kommt von beiden Seiten: Tiere oder Pflanzen mit extremen Merkmalen haben geringere Überlebenschancen. Dadurch bleibt die Vielfalt innerhalb der Population kleiner, und die meisten Individuen ähneln sich stärker.
Beispiele:
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Geburtsgewicht menschlicher Babys: Babys, die mehr oder weniger wiegen als der Durchschnitt sterben mit höherer Wahrscheinlichkeit, als Babys mit durchschnittlichem Gewicht.
- Größe von Flügeln bei Vögeln: Vögel mit überdurchschnittlich großen oder kleinen Flügeln haben eine schlechtere Flugfähigkeit.
Transformierende Selektion
Die transformierende Selektion sorgt für eine Veränderung von Merkmalen einer Population, die in eine Richtung vom Mittelwert der Population abweichen. Du bezeichnest sie deswegen auch als gerichtete Selektion. Der Selektionsdruck wirkt also einseitig.
Beispiele für die transformierende Selektion sind:
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Fluchtgeschwindigkeit bei kleinen Tieren: Je schneller kleine Tiere vor Fressfeinden fliehen, umso besser können sie überleben. Das sorgt mit der Zeit dafür, dass in der Population des Beutetiers die Geschwindigkeit der einzelnen Individuen steigt. Ein Beispiel sind kleine Tiefseefische, die von größeren Raubfischen gejagt werden. Je schneller sie schwimmen können, umso eher überleben sie.
- Künstliche Selektion bei Rinderrassen: Besondere Merkmale wie Milchleistung oder hoher Fettgehalt werden vom Menschen künstlich gefördert.
Disruptive Selektion
Die disruptive bzw. aufspaltende Selektion fördert Individuen der beiden extremen Merkmale. Währenddessen werden diejenigen mit durchschnittlichen Ausprägungen benachteiligt.
Beispiel für die disruptive Selektion:
- Schnabelgröße bei Vögeln: Je nach vorhandener Nahrungsquelle sind unterschiedliche Schnabelgrößen von Vorteil. Ein feiner, dünner Schnabel ist beispielsweise vorteilhaft, um Insekten zu fangen und zu fressen. Ein kräftiger, dicker Schnabel ist hingegen von Vorteil, um Nüsse zu knacken. Der Mittelwert ist also hier den extremen Formen (dünner und dicker Schnabel) unterlegen.
Aus der disruptiven Selektion können auch neue Arten entstehen.
In unserem Video zur adaptiven Radiation erklären wir dir am Beispiel der Darwin Finken Schritt für Schritt die Artentstehung.
Selektion als Evolutionsfaktor
Selektion ist ein zentraler Evolutionsfaktor und bestimmt, wie sich die genetische Zusammensetzung einer Population langfristig verändert. Sie treibt die Evolution voran, indem sie das Überleben und die Fortpflanzung der am besten angepassten Individuen fördert.
Es gibt fünf Evolutionsfaktoren:
- Selektion
- Mutation
- Rekombination
- Gendrift
- Isolation
Laut der synthetischen Evolutionstheorie sorgt die Selektion im Zusammenspiel mit den anderen Evolutionsfaktoren für eine stetige Anpassung und Weiterentwicklung der Arten.
Selektion — häufigste Fragen
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Was ist Selektion? Selektion bedeutet wörtlich „Auslese“ und beschreibt in der Biologie ein Prinzip der Evolution, bei dem Individuen innerhalb einer Population miteinander konkurrieren. Als Evolutionsfaktor treibt die Selektion die Entwicklung und Veränderung von Arten an. -
Was ist die natürliche Selektion? Selektion, auch natürliche Auslese genannt, ist der Evolutionsprozess, bei dem die am besten an ihre Umwelt angepassten Organismen überleben und sich erfolgreich fortpflanzen. Währenddessen verschwinden weniger gut angepasste Organismen allmählich. -
Was für Selektionstypen gibt es? Jede Selektionsform lässt sich nochmal in drei Selektionstypen unterteilen: Die stabilisierende Selektion, die transformierende Selektion und die disruptive Selektion. Sie beschreiben, in welche Richtung der Selektionsdruck wirkt. Evolutionsfaktoren sind die natürliche Selektion, genetische Drift, Mutationen und Genfluss.
Evolutionsfaktoren
Mehr über die einzelnen Evolutionsfaktoren und ihr Zusammenspiel untereinander erfährst du in unserem Video dazu, bis gleich!