Synästhesie (Stilmittel)
Das Stilmittel Synästhesie begegnet dir häufig in Gedichten. Hier lernst du anhand anschaulicher Beispiele die wichtigsten Merkmale und die Wirkung der Synästhesie als Stilmittel kennen.
Inhaltsübersicht
Was ist die Synästhesie?
Die Synästhesie ist ein rhetorisches Stilmittel, bei dem verschiedene Sinneseindrücke miteinander verbunden werden. In der Literatur wird sie genutzt, um Eindrücke besonders lebendig und eindrucksvoll darzustellen.
Der Ausdruck „ein schreiendes Rot“ lässt eine Farbe besonders grell und intensiv erscheinen. Eine Formulierung wie „duftendes Licht“ verbindet mehrere Sinneswahrnehmungen und erzeugt dadurch starke Bilder im Kopf.
Weitere Beispiele für eine Synästhesie sind:
- „Der bittere Klang ihrer Stimme“ (Geschmack + Hören)
- „Süßer Duft von Erinnerungen“ (Geschmack + Geruch + Gefühl)
- „Das scharfe Licht des Eiswinds“ (Tasten + Sehen)
Übrigens: Der Begriff Synästhesie leitet sich von den griechischen Wörtern „syn“ (zusammen) und „aisthesis“ (Empfindung) ab.
Synästhesie in der Literatur — Beispiele
Die Synästhesie spielt in der Literatur besonders in den Epochen der Romantik, Empfindsamkeit und des Symbolismus eine wichtige Rolle. Wie du Synästhesien in einer Analyse oder Interpretation erkennen kannst, zeigen wir dir anhand der folgenden Beispiele:
➡️ Beispiel aus der Empfindsamkeit:
„Wie der Klang, so glänzt des Himmels blaue Seide“ — Friedrich Gottlieb Klopstock aus „Die Frühlingsfeier“ |
In diesem Satz verbindet Klopstock zwei Sinne: das Hören („Klang“) und das Sehen („glänzt des Himmels blaue Seide“). Der Klang bekommt dadurch eine Farbe und wird sichtbar gemacht.
➡️ Beispiel aus der Romantik:
„Die Luft erfüllte sich mit Blumenduft, und jeder Ton war sanft wie Morgentau.“ — Achim von Achim aus „Des Knaben Wunderhorn“ |
In diesem Vers werden Geruch („Blumenduft“) und Klang („jeder Ton war sanft“) miteinander verbunden. Der Duft macht die Szene lebendig und angenehm, und der Ton wirkt durch den Vergleich mit „Morgentau“ besonders zart und weich.
➡️ Beispiel aus dem Impressionismus:
„Und der Wind ist leise wie ein flimmerndes Gold“ — Christian Morgenstern aus „Die drei Spatzen“ |
Morgenstern verbindet in seinem Gedicht Hören („leise“) und ️ Sehen („flimmerndes Gold“) miteinander. Der Wind wird nicht nur gehört, sondern auch als glänzendes Bild wahrgenommen.
➡️ Beispiel aus dem Symbolismus:
„Der Klang der violetten Geige“ — Else Lasker-Schüler aus „Mein blaues Klavier“ |
Die Autorin verbindet in ihrem Werk Klang („Geige“) und ️Sehen („violett“) miteinander. Die Farbe ,,violett“ verleiht dem ,,Klang“ eine melancholische, geheimnisvolle Tiefe.
➡️ Beispiel aus dem Expressionismus:
„Die Luft war grau und flimmerte“ — Franz Kafka aus „der Heizer“ |
In diesem Beispiel werden Sehen („grau“) und Fühlen („flimmerte“) miteinander verbunden. Dadurch wirkt die Luft unangenehm, und das Flimmern erzeugt ein Gefühl von Unruhe.
Wirkung des Stilmittels
Die Synästhesie kann verschiedene Wirkungen beim Leser oder Hörer haben. Egal, aus welcher Epoche der Text stammt — hier sind einige typische Beispiele für die Wirkung:
✓ Sprache sinnlich gestalten
Die Synästhesie spricht mehrere Sinne gleichzeitig an. Worte können dabei „duften“, Farben „klingen“ oder Stimmen „bitter“ wirken. So entsteht beim Lesen ein intensives, beinahe körperliches Erleben. Dadurch kannst du Wörter nicht nur verstehen, sondern sie förmlich sehen, hören, riechen oder schmecken.
✓ Starke Bilder erzeugen & Fantasie anregen
Wenn verschiedene Sinne vermischt werden, entstehen starke Bilder im Kopf — zum Beispiel „ein warmer Klang“ oder „kaltes Licht“. Solche überraschenden Verbindungen regen deine Vorstellungskraft an und bringen neue Ideen ins Spiel. Dadurch wirken Texte lebendiger und bleiben dir länger im Gedächtnis.
✓ Abstraktes greifbar machen
Gefühle, Stimmungen oder Gedanken sind oft schwer in Worte zu fassen. Doch durch die Synästhesie werden sie konkreter und emotionaler. Statt zu schreiben, eine Figur „fühlt sich leer“, könnte es heißen: „Ein fahles Grau kroch durch ihre Gedanken.“ So kannst du als Leser das Gefühl deutlich intensiver nachvollziehen.
✓ Texte lebendiger machen
Die Synästhesie macht Texte besonders kreativ und gefühlvoll. Sie lässt viel Raum für eigene Gedanken und Gefühle. Das bedeutet: Jeder versteht synästhetische Bilder ein bisschen anders, je nachdem, welche Gefühle oder Erinnerungen damit verbunden sind. Zum Beispiel kann „der bittere Klang seiner Stimme“ für dich wütend klingen, für jemand anderen traurig.
Synästhesie ist nicht nur ein Stilmittel, sondern auch ein echtes Phänomen aus der Psychologie. Manche Menschen erleben dabei eine automatische Verbindung von Sinneseindrücken, zum Beispiel hören sie Farben oder schmecken Klänge.
Mehr dazu findest du auch in unseren Beiträgen zur Synästhesie aus psychologsicher Sicht. Passend dazu kannst du dir auch unsere Beiträge zur selektiven Wahrnehmung, visuellen Wahrnehmung oder sensorischen Wahrnehmung ansehen.
Synästhesie im Alltag
Synästhesien findest du nicht nur in der Literatur, sondern auch im Alltag — etwa in der Musik oder Werbung.
➡️ Beispiel:
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Im Song verbindet der Künstler zwei Sinne: das Sehen („lila Wolken“) und den Geschmack („schmeck’ den Sommer“). Diese Mischung aus Farbe und Geschmack erzeugt Bilder im Kopf der Hörer und macht den Song emotionaler.
Die Kampagne von Coca-Cola verknüpft hingegen das Schmecken mit dem Gefühl der Freiheit. Dadurch wird Cola nicht nur geschmeckt, sondern auch körperlich erlebt.
Abgrenzung zu ähnlichen Stilmitteln
Neben der Synästhesie gibt es auch andere bildhafte Stilmittel. Damit du sie in Zukunft nicht verwechselst, haben wir hier einen Überblick für dich:
Metapher
Eine Metapher überträgt einen Begriff aus einem ursprünglichen Bedeutungszusammenhang in einen neuen, oft bildhaften Kontext. Dabei entsteht ein vergleichbares, aber nicht wörtlich gemeintes Bild im Kopf des Lesers.
➡️ Beispiel: „Du hast ja ein Brett vor dem Kopf!“ Gemeint ist: Du erkennst etwas Offensichtliches nicht. |
❗️ Unterschied: Während Metaphern Bedeutungen übertragen, kombiniert die Synästhesie konkrete Sinneseindrücke, etwa: „Der süße Klang der Erinnerung.“.
Wichtig: Die Synästhesie wird aber auch als eine besondere Form der Metapher angesehen, weil sie durch die Verbindung von Sinneseindrücken Bilder im Kopf erzeugt.
Oxymoron
Ein Oxymoron ist die Verbindung von zwei gegensätzlichen oder widersprüchlichen Begriffen, die oft unerwartet wirken und zum Nachdenken anregen.
➡️ Beispiel: „bittersüß“ oder „lautes Schweigen“ |
❗️ Unterschied: Beim Oxymoron entsteht die Wirkung durch Widerspruch, bei der Synästhesie durch Verschmelzung unterschiedlicher Sinnesebenen.
Personifikation
Die Personifikation ist eine Sonderform der Metapher bzw. Allegorie. Hierbei bekommen Tiere oder Dinge menschliche Eigenschaften oder handeln wie Menschen.
➡️ Beispiel: „Die Zeit rennt.“ Die abstrakte Zeit wird personifiziert und als rennender Mensch dargestellt. |
❗️ Unterschied: Die Synästhesie vermischt Sinne, nicht Mensch und Dinge. Bei ihr geht es nicht um Vermenschlichung, sondern um das gleichzeitige Ansprechen mehrerer Sinne.
Synästhesie Stilmittel — häufigste Fragen
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Was ist eine Synästhesie? Die Synästhesie ist ein rhetorisches Stilmittel, bei dem verschiedene Sinneseindrücke miteinander verbunden werden — etwa wenn Töne als „farbenfroh“ oder Farben als „laut“ beschrieben werden. Bei einer Synästhesie vermischen sich also verschiedene Sinneseindrücke zu einer Wahrnehmung. -
Was ist das Stilmittel Synästhesie?
Als Stilmittel beschreibt die Synästhesie die kreative Verknüpfung unterschiedlicher Sinneswahrnehmungen, wobei ein Sinneseindruck mit Ausdrücken eines anderen Sinnes dargestellt wird. -
Was ist ein Beispiel für eine Synästhesie? Ein klassisches Beispiel für das Stilmittel Synästhesie ist: „knallrote Stimmen“, denn hier wird die Farbe (Sehsinn) mit einem akustischen Eindruck (Hörsinn) kombiniert. Das kann zum Beispiel Emotionen oder Gefühle verstärken. -
Welche Wirkung hat die Synästhesie? Das Stilmittel Synästhesie erzeugt lebendige und eindrucksvolle Bilder im Kopf. Es spricht mehrere Sinne gleichzeitig an und verstärkt somit die emotionale Wirkung, besonders in Gedichten.
Rhetorische Mittel
Sehr gut! Jetzt kennst du das Stilmittel der Synästhesie und weißt, wie du es in Musik, Literatur und sogar im Alltag erkennen kannst. Möchtest du noch mehr rhetorische Mittel kennenlernen? Dann schau dir unser ausführliches Video dazu an!