Daktylus
Der Daktylus ist einer der vier Versfüße, die du in Gedichten finden kannst. In unserem Artikel erfährst du alles, was du für seine Bestimmung wissen musst. Hier geht’s direkt zum Video!
Inhaltsübersicht
Was ist ein Daktylus?
Der Daktylus ist neben dem Jambus , Trochäus und Anapäst eines der vier gängigen Versmaße , die du in einem Gedicht finden kannst. Er besteht aus einer betonten und zwei unbetonten Silben.
Das Versmaß, auch Metrum genannt, kannst du ganz einfach bestimmen: Zähle einfach die Reihenfolge von betonten und unbetonten Silben innerhalb eines Verses. Daraus ergibt sich der Rhythmus, in dem das Gedicht gelesen wird. Diesen Lese-Rhythmus findest du nur in Gedichten und lyrischen Dramen, aber nicht in Romanen. Deshalb sollte die Bestimmung des Versmaßes in keiner Gedichtanalyse fehlen!
Der Daktylus gehört zu den dreisilbigen Versfüßen. Er besteht aus einer betonten Silbe, gefolgt von zwei unbetonten Silben. In deiner Gedichtanalyse kürzt du den Daktylus mit –∪∪ oder Xxx ab.
Daktylus – Aufbau
Der Daktylus besteht aus drei Silben: Einer betonten Silbe, auf die zwei unbetonte Silben folgen. Bei einer Gedichtanalyse kennzeichnest du betonte Silben mithilfe von X oder – und unbetonte Silben mithilfe von x oder ∪. Das sieht dann so aus: Xxx oder –∪∪. Im Folgenden verwenden wir die zweite Schreibweise.
Daktylus – Beispiel: – ∪ ∪
Dak | ty | lus
Das Wort „Daktylus“ selbst ist also ein Beispiel für ein daktylisches Versmaß.
Das Wort „Daktylus“ kommt aus dem Griechischen und bedeutet so viel wie „Finger“. Diese Übersetzung bietet dir eine gute Merkhilfe. Ein daktylisches Versmaß ist nämlich genauso wie dein Finger aufgebaut: Auf ein größeres Element – dein langer Fingerknochen und eine betonte Silbe – folgen zwei kleineren Elemente – deine kurzen Fingerknochen und die unbetonten Silben.
Es kann sein, dass dir die Bezeichnung „lange“ und „kurze“ Silben begegnet. Das sind die Einheiten, in denen Gedichte in der Antike gemessen wurden. In der deutschen Lyrik unterscheiden wir Silben nach ihrer Betonung. Wenn du mehr darüber wissen möchtest, dann schau dir einfach unseren Beitrag zum Metrum an!
Daktylus bestimmen
Du findest das daktylische Versmaß in einzelnen Worten oder innerhalb von Versen:
- in Wörtern: Der Daktylus ist zwar ein Versmaß, findet sich aber auch in einzelnen Wörtern wieder. Viele längere Worte der deutschen Sprache sind daktylisch, da im Deutschen oft die erste Silbe betont wird.
Daktylus – Beispiel: – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪
Ach| ter| bahn; him | mel | wärts; wun | der | bar
-
in Versen: Dichter wählen das Versmaß ihrer Gedichte sehr bewusst. Es umfasst nicht nur ein Wort, sondern den gesamten Vers.
Daktylus – Beispiel: „An den Sturmwind“ von Friedrich Rückert
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ –
Mäch| ti |ger,|der | du | die | Wip |fel| dir|beugst,
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ –
Brau | send | von | Kro | ne | zu | Kro | ne | ent | steigst,
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ –
Wand | le | du |Stür |men | der, | wand | le | nur | fort.
Betonte und unbetonte Silben kannst du durch folgende Methoden leichter auseinanderhalten:
- Sprich das Wort oder den Vers laut aus. Betonte Silben klingen lauter. Du kannst dabei ruhig ein wenig übertreiben, bis du den Unterschied klar und deutlich hören kannst.
- Höre dir zusätzlich die Aussprache von anderen ganz genau an. Denn von vielen Gedichten gibt es auch Audioaufnahmen.
- Markiere sofort, welche Silben betont werden. Farben bieten hier eine zusätzliche Übersicht.
Daktylus analysieren
Für deine Gedichtanalyse musst du deine Erkenntnisse zum Metrum niederschreiben. Hier ist es wichtig, die richtigen Begriffe zu verwenden. Betonte Silben bezeichnest du in der deutschen Lyrik als Hebungen, unbetonte Silben nennst du Senkungen. Du zählst also innerhalb des Verses, wie viele Hebungen es gibt. Ein Vers, der aus drei Daktylen besteht, heißt korrekt dann also dreihebiger Daktylus.
Merke: Der Plural von Daktylus ist nicht Daktylusse, sondern Daktylen!
Daktylus – Kadenz
Die Kadenz eines Gedichts bestimmst du, indem du die unbetonten Silben nach der letzten betonten Silbe innerhalb einer Verszeile zählst. So findest du heraus, ob der Vers betont oder unbetont endet!
Da ein daktylisches Versmaß aus einer betonten und zwei unbetonten Silben besteht, hat es üblicherweise eine reiche Kadenz.
Daktylus – Beispiel: „Chor der Engel“ in Johann Wolfgang von Goethes Faust
– ∪ ∪ – ∪ ∪
Freu | de | dem| Sterb | lich | en!
Einige Verse mit einem daktylischen Versmaß enden trotzdem nicht auf mehreren unbetonten Silben. Manchmal ist der letzte Daktylus innerhalb einer Verszeile also unvollständig. Solche Versmaße nennst du auch katalektisch. Das sieht dann so aus:
- Der letzte Daktylus hat nur eine unbetonte Silbe anstatt zwei. In diesem Fall sprichst du von einer weiblichen Kadenz.
- Der letzte Daktylus hat nur eine betonte Silbe. In diesem Fall sprichst du von einer männlichen Kadenz.
Daktylus – Beispiel: „Der Daktylus“ von Joseph Weinheber
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
Lei | den | schaft | wirft | mir | in | se |li | ger | Stun | de → weibliche Kadenz
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ –
her | aus | dem | Him |mel | den | hüpf | en | den | Ball. → männliche Kadenz
Gehe also nicht davon aus, dass eine Verszeile eine reiche Kadenz hat, nur weil sie aus Daktylen besteht. Bestimme die Kadenz am besten unabhängig vom Versmaß.
Wie du siehst, kannst du aber trotzdem von einem daktylischen Versmaß sprechen, so lange solche Unregelmäßigkeiten nur am Ende des Verses vorkommen. Doch woher kommen diese Besonderheiten überhaupt? Ganz einfach: Beim Schreiben von Gedichten achten Autoren nicht immer auf diese strengen Regeln, die du hier kennenlernst. Gedichte sind schließlich immer noch sprachliche Kunstwerke – und als solche müssen sie sich nicht immer an die Regeln halten!
Daktylus – Wirkung
Wenn du eine Gedichtinterpretation schreiben sollst, dann reicht es nicht aus, das Versmaß nur zu bestimmen. Du solltest dann auch noch beschreiben, welchen Effekt das Versmaß auf den Leser hat – also wie dessen Wirkung ist!
Generell ist die Wirkung eines Versmaßes natürlich vom Rest des Gedichtes abhängig, wie zum Beispiel dem Inhalt und dem Reimschema . So kann der gleichmäßige Rhythmus von Daktylen in einem fröhlichen Vers sehr beschwingt wirken, wie ein Tanz im Dreivierteltakt.
Daktylus – Beispiel: „Die Erwartung“ von Friedrich Schiller
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
Hör’ | ich | das | Pfört | chen | nicht |ge | hen?
– ∪ ∪ – ∪ ∪ –
Hat | nicht | der | Rie | gel | ge | klirrt?
In ernsten Versen kann der gleichmäßige Takt dagegen eher unheilvoll wirken.
Daktylus – Beispiel: „Sonette an Orpheus „ von Rainer Maria Rilke
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ –
Schließ | lich | zer|schlu | gen | sie | dich, | von | der | Ra | che | ge | hetzt,
– ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪ ∪ – ∪
währ | end | dein | Klang | noch | in | Lö | wen | und | Fel | sen | ver | weil | te.
Daktylus und Anapäst
Der Daktylus ist nicht das einzige Versmaß, das aus drei Silben besteht. Sein Gegenspieler ist der Anapäst. Der Anapäst besteht aus zwei unbetonten Silben und einer betonten Silbe.
Anapäst – Beispiel: ∪ ∪ –
Har | mo | nie
Wenn du noch mehr Beispiele für den Anapäst suchst, dann schau dir einfach noch dieses Video an!