Sturm und Drang Gedichte
Was zeichnet die Gedichte des Sturm und Drang aus? In unserem Beitrag und im Video zeigen wir dir, wie dir deine Gedichtanalyse gelingt.
Inhaltsübersicht
Sturm und Drang Gedichte — einfach erklärt
Der Sturm und Drang ist eine deutsche Literaturepoche, die von 1765 bis 1790 andauerte. Junge Schriftsteller stellten sich dabei gegen den Vernunftgedanken der Aufklärung. Stattdessen wollten sie sich künstlerisch ausdrücken und ihre Gefühle zeigen. Sie vertrauten auf ihr eigenes Genie und wandten sich von alten Literaturtraditionen ab.
Die Gedichte aus dem Sturm und Drang zeichnen sich deshalb vor allem durch starke Gefühle aus. Sie sind an keine feste Form gebunden, sondern folgen nur der Kreativität des Dichters.
Um ein Gedicht aus dem Sturm und Drang zu analysieren, solltest du dich mit der Epoche gut auskennen. Denn nur wenn du über den historischen Hintergrund Bescheid weißt, kannst du daraus Motive und Symbole ableiten.
Sturm und Drang Gedichte — Hintergrund
Der Sturm und Drang entstand als Gegenbewegung zur Aufklärung. Die Aufklärung fand zeitgleich zum Sturm und Drang statt. Sie orientierte sich am Verstand und stellte Vernunft und Moral in den Vordergrund. Auch die Literatur sollte klaren Regeln folgen und so die Werte der Aufklärung an die Leser weitergeben.
Die Stürmer und Dränger rebellierten gegen diese starren Regeln. Viele von ihnen gehörten zur jungen Generation und wollten sich in ihren Werken frei ausdrücken. Deshalb zeichnen sich Sturm und Drang Gedichte häufig durch eine freie Poetik aus. Das bedeutet, die Gedichte folgen keiner festen Struktur, sondern sind ein freier Ausdruck der Gefühle des Dichters. Anstelle von Vernunft und Moral bevorzugten die Dichter in ihren Werken Emotionen und Fantasie.
Außerdem kritisierten die Vertreter des Sturm und Drang den Absolutismus, also die Herrschaftsform eines einzelnen Herrschers an der Macht. Sie setzten sich für mehr persönliche Freiheit und soziale Gerechtigkeit ein.
Schon gewusst? Der Name Sturm und Drang kommt von der gleichnamigen Komödie von Friedrich Maximilian Klinger aus dem Jahr 1777.
Sturm und Drang Gedichte — Merkmale
Die Stürmer und Dränger wollten gegen die rationalen Ideale der Aufklärung rebellieren. Sie strebten danach, sich selbst zu verwirklichen und ihre Gefühle auszudrücken.
Es gibt verschiedene Themen und Merkmale, die häufig in Sturm und Drang Gedichten auftreten. Kommen ein oder mehrere davon vor, kannst du dir relativ sicher sein, dass es sich um ein Gedicht aus dem Sturm und Drang handelt.
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Geniekult
Den Sturm und Drang bezeichnest du auch als Geniezeit. Das Originalgenie oder auch Naturgenie genannt, gilt als Ideal der Bewegung. Es bezeichnet eine Person, die sich frei ausdrückt und sich nicht bestehenden Autoritäten oder Traditionen unterordnet. So ergibt sich ein starker Ich-Bezug. Im Sturm und Drang steht das Individuum mit seinen subjektiven Gefühlen im Mittelpunkt.
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Heldentum
In Gedichten des Sturm und Drang findest du häufig Figuren aus Shakespeare Stücken oder tragische Helden der Antike. Denn die Stürmer und Dränger griffen alte Sagen und Mythen auf und verarbeiteten diese in ihren Werken. Ein berühmtes Beispiel dafür ist Johann Wolfgang von Goethes „Prometheus“. Prometheus stellt sich gegen den Göttervater Zeus und bringt den Menschen das Feuer. Genau wie die Stürmer und Dränger rebelliert er also gegen Autorität und wird so zum Originalgenie.
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Kritik am Feudalismus
Sowohl die Aufklärung, als auch der Sturm und Drang haben die autoritäre Herrschaftsform des Absolutismus und den Feudalismus abgelehnt. Das ist die Gemeinsamkeit, die die beiden Epochen verbindet. Während die Aufklärung aber für Vernunft und Moral steht, geht es im Sturm und Drang um Gefühle und Freiheit.
Sturm und Drang Gedichte — Interpretation
Jetzt kennst du wichtige Themen und Motive des Sturm und Drang und kannst sie in Gedichten erkennen. Halte bei deiner Gedichtanalyse auch immer die Augen offen nach bekannten Autoren des Sturm und Drang. Dazu gehören zum Beispiel Johann Gottfried Herder, Johann Wolfgang von Goethe oder Friedrich Schiller.
- Johann Wolfgang von Goethe: „Prometheus“
- Johann Wolfgang von Goethe: „Willkommen und Abschied“
- Friedrich Schiller: „Die schlimmen Monarchen“
- Gotthold Friedrich Stäudlin: „Seltha, die Kindermörderin“
Wie du Sturm und Drang Gedichte in zwei Schritten interpretieren kannst, zeigen wir dir jetzt.
1. Schritt: Lesen und Besonderheiten markieren
Zuerst liest du dir das Gedicht mehrmals aufmerksam durch. Achte dabei auf Besonderheiten, die dir ins Auge springen. Das können zum Beispiel epochentypische Merkmale sein. Du kannst aber auch formale Auffälligkeiten wie das Reimschema, die Kadenzen oder das Versmaß markieren.
Nachdem du wichtige Stellen gekennzeichnet hast, kannst du versuchen, sie mit deinem Wissen zum Sturm und Drang zu verknüpfen. Überlege dir dazu, wie Gefühle im Gedicht betont werden oder ob es vielleicht Kritik an der Obrigkeit ausübt.
2. Schritt: Analyse schreiben
Anschließend beginnst du mit dem Schreiben deiner Gedichtanalyse. Die hat immer den gleichen Aufbau.
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Einleitung
In deiner Einleitung nennst du die wichtigsten Eckdaten zum Gedicht. Dazu zählen zum Beispiel der Autor, der Titel sowie das Erscheinungsjahr. Selbstverständlich erwähnst du hier auch, dass du das Gedicht dem Sturm und Drang zuordnest. Dann fasst du den Inhalt des Gedichts noch kurz zusammen.
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Hauptteil
Im Hauptteil untersuchst du Inhalt, Form und Sprache genauer. Bringe dabei dein Wissen über den Sturm und Drang ein und belege deine Aussagen am Text. Behalte dabei immer im Hinterkopf, was den Sturm und Drang ausmachte: Die Autoren wollten sich frei ausdrücken und ihre Gefühle betonen! Deshalb findest du in Sturm und Drang Gedichten häufig Personifikationen, Metaphern oder Vergleiche.
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Schluss
Abschließend fasst du die wichtigsten Erkenntnisse deiner Analyse nochmal zusammen. Überlege dabei auch, welche Bedeutung das Gedicht haben könnte.
Gedichte des Sturm und Drang — Beispiel
Hier siehst du noch ein Beispiel für ein bekanntes Sturm und Drang Gedicht.
Johann Wolfgang von Goethe
Willkommen und Abschied (1771)
Es schlug mein Herz. Geschwind, zu Pferde!
Und fort, wild wie ein Held zur Schlacht.
Der Abend wiegte schon die Erde,
Und an den Bergen hing die Nacht.
Schon stund im Nebelkleid die Eiche
Wie ein getürmter Riese da,
Wo Finsternis aus dem Gesträuche
Mit hundert schwarzen Augen sah.
Der Mond von einem Wolkenhügel
Sah schläfrig aus dem Duft hervor,
Die Winde schwangen leise Flügel,
Umsausten schauerlich mein Ohr.
Die Nacht schuf tausend Ungeheuer,
Doch tausendfacher war mein Mut,
Mein Geist war ein verzehrend Feuer,
Mein ganzes Herz zerfloß in Glut.
Ich sah dich, und die milde Freude
Floß aus dem süßen Blick auf mich.
Ganz war mein Herz an deiner Seite,
Und jeder Atemzug für dich.
Ein rosenfarbnes Frühlingswetter
Lag auf dem lieblichen Gesicht
Und Zärtlichkeit für mich, ihr Götter,
Ich hofft’ es, ich verdient’ es nicht.
Der Abschied, wie bedrängt, wie trübe!
Aus deinen Blicken sprach dein Herz.
In deinen Küssen welche Liebe,
O welche Wonne, welcher Schmerz!
Du gingst, ich stund und sah zur Erden
Und sah dir nach mit nassem Blick.
Und doch, welch Glück, geliebt zu werden,
Und lieben, Götter, welch ein Glück!
In der Einleitung deiner Sturm und Drang Gedichtanalyse könntest du zum Beispiel Folgendes schreiben:
Goethes Gedicht „Willkommen und Abschied“ handelt davon, wie sich das lyrische Ich mit seiner großen Liebe trifft und sich am Ende des Treffens unter Tränen verabschiedet.
Tipp: Eine ausführliche Analyse zu Goethes Gedicht findest du hier.
Sturm und Drang Gedichte — häufigste Fragen
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Was ist typisch für Sturm und Drang Gedichte?
Typisch für Gedichte aus dem Sturm und Drang ist die sogenannte freie Poetik. Das bedeutet, dass die Dichter die alten Traditionen und starren Regeln der Literatur aufgeben und stattdessen ihre eigene Kreativität und ihre Gefühle in den Vordergrund stellen.
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Wer ist der berühmte Vertreter des Sturm und Drang?
Berühmte Vertreter des Sturm und Drang sind zum Beispiel Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Johann Gottfried Herder, Christian Friedrich Daniel Schubart, Gottfried August Bürger und Jakob Michael Reinhold Lenz.
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Was steht im Mittelpunkt des Sturm und Drang?
Im Mittelpunkt des Sturm und Drang steht eine individuelle Person, die ihre Gefühle auslebt und sich nicht den vorgegebenen Autoritäten unterordnet. Eine solche Person nennst du im Sturm und Drang auch ein Natur- oder Originalgenie.
Sturm und Drang
Jetzt kannst du Sturm und Drang Gedichte analysieren. Damit dir deine Interpretation gelingt, musst du dich gut mit dem Sturm und Drang auskennen. In diesem Beitrag lernst du die Epoche genauer kennen.