Unterwegs sein (Lyrik)
Du möchtest wissen, wie das Motiv „unterwegs sein“ in der Lyrik dargestellt wird? Hier und im Video erfährst du alles Wichtige darüber!
Inhaltsübersicht
Unterwegs sein (Lyrik) — einfach erklärt
„Unterwegs sein“ bedeutet oft mehr als nur das Reisen von einem Ort zum anderen. Es steht für Bewegung, Veränderung und die Suche nach Freiheit, Abenteuer oder Selbsterkenntnis.
In der Lyrik wird das Motiv des „Unterwegsseins“ auch als Reiselyrik bezeichnet. Dort geht es darum, wie Menschen auf Reisen Neues erleben und sich dabei selbst besser kennenlernen.
So wird „unterwegs sein“ oft zu einem Ausdruck menschlicher Sehnsucht und Abenteuerlust.
Dichter nutzen dabei das Motiv des Reisens, um innere und äußere Reisen zu beschreiben und dabei die emotionale und geistige Entwicklung ihrer Figuren darzustellen.
Unterwegs sein / Reiselyrik — Übersicht der Epochen
Das Motiv des Unterwegsseins zieht sich durch viele literarische Epochen und spiegelt dabei die unterschiedlichen historischen und kulturellen Kontexte wider. Jede Epoche interpretiert die Reiselyrik dabei auf ihre eigene Weise.
Die folgende Übersicht zeigt dir, wie „Unterwegs sein“ in der Lyrik interpretiert und dargestellt wurde:
Barock (ca. 1600-1720)
Im Barock wird das Leben oft als vergängliche Reise dargestellt. Dichter wie Andreas Gryphius nutzten das Motiv, um auf die Vergänglichkeit und die Unsicherheit des Lebens hinzuweisen. Aufgrund des Dreißigjährigen Krieges verloren viele Menschen ihren Wohnort und mussten somit gezwungenermaßen zu Fuß reisen. Nur den Adeligen war es vorbehalten, mit der Pferdekutsche unterwegs zu sein.
- Themen in der Literaturepoche: Vergänglichkeit, Memento Mori (Gedächtnis des Todes), Vanitas (Eitelkeit des Lebens), Suche nach Gott
- Fortbewegung: zu Fuß, Pferd und Kutsche
- Beispiel: „Es ist alles eitel“ von Andreas Gryphius
Aufklärung (ca. 1720-1800)
Die Aufklärung betont das Reisen als Suche nach Vernunft und Erkenntnis. Dichter waren vor allem unterwegs, um damit ihr Wissen und Können zu erweitern. Gotthold Ephraim Lessing sah das Unterwegssein dabei beispielsweise als Mittel zur Selbstvervollkommnung an.
- Themen in der Literaturepoche: Vernunft, Rationalität, Bildung, Natur
- Fortbewegung: zu Fuß
- Beispiel: „Ich saug an meiner Nabelschnur“ von Johann Wolfgang von Goethe
Empfindsamkeit (ca. 1740-1790)
In der Epoche der Empfindsamkeit wird das Reisen oft als Ausdruck der Naturverbundenheit und der emotionalen Selbstfindung dargestellt.
- Themen in der Literaturepoche: Empfindsamkeit, Natur, Herz
- Fortbewegung: zu Fuß, Kutsche
- Beispiel: „Die Leiden des jungen Werther“ von Johann Wolfgang von Goethe
Sturm und Drang (ca. 1765-1785)
Sturm und Drang galt als Gegenbewegung der zeitgleichen Aufklärung. So stand das Reisen als Ausdruck von Emotionen und Gefühlen im Vordergrund. In dieser Zeit war es den Dichterinnen und Dichtern besonders wichtig, verschiedene Kulturen kennenzulernen. Das Unterwegssein wurde daher für die intellektuelle und seelische Weiterentwicklung genutzt.
- Themen in der Literaturepoche: Emotionen, Individualität, Heimatlosigkeit, Reflexion
- Fortbewegung: zu Fuß, Pferd, Schiff
- Beispiel: „Seefahrt“ von Johann Wolfgang von Goethe
Weimarer Klassik (ca. 1786-1832)
Die Weimarer Klassik begann mit Goethes Italienreise 1786. Das Unterwegssein wurde als geordneter Weg zur Selbstverbesserung gesehen. In den Wandergedichten dieser Zeit wurde das besonders deutlich: Der Wanderer stand nicht im Mittelpunkt, sondern sah sich als Teil des Ganzen. Der Wechsel von Bewegung und Ruhe auf der Reise sollte dabei das wechselhafte Leben symbolisieren.
- Themen in der Literaturepoche: Harmonie, Ruhe, seelische Erfahrungen
- Fortbewegung: Kutsche, zu Fuß
- Beispiel: „Römische Elegie“ von Johann Wolfgang von Goethe
Romantik (ca. 1795-1840)
In der Romantik wurde das Unterwegssein als Ausdruck von Sehnsucht und dem Streben nach dem Unbekannten dargestellt. Die Epoche war geprägt von vielen Umbrüchen der Gesellschaft, wie der Industriellen Revolution. Dichter wie Joseph von Eichendorff thematisieren die Wanderschaft dabei als Metapher für das Leben. Ebenso typisch für die romantische Reiselyrik waren ausgeschmückte Volkslieder.
- Themen in der Literaturepoche: Sehnsucht, Natur, das Unbewusste
- Fortbewegung: zu Fuß, Pferd, Postkutsche
- Beispiel: „Wanderlied“ von Johann Wolfgang von Goethe
Vormärz und Biedermeier (ca. 1815-1848)
Das Reisen symbolisiert im Vormärz und Biedermeier sowohl politische Umbrüche als auch das Bedürfnis nach Rückzug ins Private. Die Epochen waren geprägt von der Angst vor Verboten der Lyrik, da Dichterinnen und Dichter sich politisch kritisch positionierten.
- Themen in der Literaturepoche: Politische Kritik, bürgerliche Idylle
- Fortbewegung: Eisenbahn, Kutsche
- Beispiel: „Auf der Eisenbahn“ von Louise von Plönnies
Gut zu wissen: Der Begriff „Vormärz“ bezeichnet die Literaturepoche von 1815 bis 1848. Anders als im „Biedermeier“, wurde die Literatur im Vormärz vor allem dafür genutzt, um politisch Stellung zu den Ereignissen des Wiener Kongresses von 1814 zu beziehen.
Realismus (ca. 1848-1890)
Im Realismus wird das Reisen oft in einem gesellschaftlichen Kontext dargestellt. Es zeigte objektiv und nüchtern die Alltäglichkeit des Lebens, ohne dabei das Leben zu romantisieren. Dennoch geschah das oft in einer geschönten und ästhetischen Form. Dichterinnen und Dichter versuchten in ihrer Reiselyrik, sich dem Poetischen zu nähern. Typisch für diese Zeit des Unterwegsseins waren unter anderem Balladen über das Reisen.
- Themen in der Literaturepoche: Wirklichkeitstreue, Gesellschaftskritik, Ästhetik
- Fortbewegung: Eisenbahn, Dampfschiff, Kutsche
- Beispiel: „Eisenbahnfahrt“ von Ferdinand von Saar
Jahrhundertwende (ca. 1890-1910)
Die Zeit der Jahrhundertwende ist geprägt von technologischem Fortschritt und sozialen Veränderungen. Das Unterwegssein symbolisiert damit den Aufbruch in eine neue Ära.
- Themen in der Literaturepoche: Dekadenz, Jugendstil, Aufbruchsstimmung, Heimatlosigkeit
- Fortbewegung: Auto, Eisenbahn
- Beispiele: „Der Panther“ von Rainer Maria Rilke
Expressionismus (ca. 1910-1925)
Der Expressionismus thematisiert das Reisen als Ausdruck innerer Zerrissenheit und der Suche nach sich selbst. In der Reiselyrik dieser Zeit fanden auch moderne Verkehrsmittel wie Autos und Flugzeuge ihren Platz.
- Themen in der Literaturepoche: Verzweiflung, Apokalypse, Krieg, Identitätsverlust
- Fortbewegung: Eisenbahn, Flugzeuge, Auto
- Beispiel: „Weltende“ von Jakob van Hoddis
Neue Sachlichkeit und Exillyrik (ca. 1920-1945)
In der neuen Sachlichkeit und der Exilliteratur wird das Reisen häufig im Kontext von Flucht und Exil dargestellt. Es spiegelt die politischen und sozialen Umbrüche wider.
- Themen in der Literaturepoche: Realismus, Gesellschaftskritik, Exil
- Fortbewegung: Zug, Schiff, zu Fuß
- Beispiel: „Exil“ von Bertolt Brecht
Zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts und Gegenwartslyrik
Die Lyrik der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart behandelt das Unterwegssein in vielfältigen Kontexten, oft geprägt von persönlichen und gesellschaftlichen Themen.
- Themen in der Literaturepoche: Individuelle Erfahrungen, Globalisierung, digitale Welt, Urlaubsreisen, Flucht, Klimawandel
- Fortbewegung: Auto, Flugzeug, Zug
- Beispiel: „Fluchtpunkt“ von Sarah Kirsch
unterwegs sein (Lyrik) — häufigste Fragen
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Was bedeutet unterwegs sein in der Lyrik?
„Unterwegs sein“ in der Lyrik bedeutet das Reisen, welches die Suche nach neuen Erfahrungen und innerer Entwicklung symbolisiert. Es ist ein zentrales Motiv der Reiselyrik, das Freiheit und Veränderung ausdrückt.
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Was versteht man unter Reiselyrik?
Reiselyrik beschreibt die Lyrik, die das Thema Reisen und Unterwegssein behandelt. Die Reiselyrik spiegelt die Sehnsucht nach Freiheit, Abenteuer und neuen Erfahrungen wider, und thematisiert oft die innere und äußere Entwicklung der Reisenden.
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Welche Motive gibt es in der Lyrik?
In der Lyrik gibt es zahlreiche Motive wie Liebe, Natur, Reisen, Vergänglichkeit, Sehnsucht, Abschied, Einsamkeit und Freiheit. Die Motive helfen, emotionale und thematische Tiefe zu schaffen und ermöglichen es den Dichtern, menschliche Erfahrungen und Gefühle auszudrücken.
Naturlyrik
Nicht nur das Unterwegssein inspirierte Dichter und Denker. Auch die Natur spielt eine zentrale Rolle in der Lyrik. Du möchtest mehr über die Naturlyrik erfahren? Dann schau dir hier das Video dazu an!