Realismus (Epoche)
Was genau ist eigentlich die Epoche des Realismus und wie lange dauerte sie? In diesem Beitrag und in unserem Video erfährst du alles rund um die Merkmale, die Literatur und die wichtigsten Autoren und Werke des Realismus.
Inhaltsübersicht
Realismus Epoche einfach erklärt
Der Realismus ist eine literarische Epoche, die in Deutschland von 1848 bis 1890 dauerte. Viele Autoren reagierten in ihren Werken auf die damaligen gesellschaftlichen und politischen Veränderungen.
Besonders die Industrialisierung und die damit einhergehende Entstehung einer großen Arbeiterklasse beeinflusste die Schriftsteller, indem sie sich hauptsächlich auf das Bürgerliche, Gewöhnliche konzentrierten. Ziel war es, das bürgerliche Leben möglichst wirklichkeitsnah darzustellen. Allerdings wurde Alltägliches oft verklärend und beschönigend umschrieben.
Die Epoche des Realismus umschließt in Deutschland den Zeitraum von 1848 bis 1890. Ziel der Autoren war es, das Leben einer bürgerlichen Figur möglichst neutral zu beschreiben, damit die Leser sich selbst ein Urteil bilden konnten. Allerdings wurde Alltägliches oft besonders betont und beschönigend beschrieben.
- Zeitraum: 1848-1890
- Einordnung: zwischen Romantik und Moderne
- Geschichte: Deutscher Bund aus Einzelstaaten, keine Demokratie, gescheiterte Märzrevolution, kein Zusammengehörigkeitsgefühl, Industrialisierung, Verstädterung, Arbeiterklasse, Schulpflicht, Hinterfragen von Religion und Ständegesellschaft
- Weltbild: der bürgerliche Mensch als Einzelner im Mittelpunkt und seine Beziehung zu seiner Umgebung
- Themen: überwiegend neutrale Darstellung bürgerlichen Lebens, aber beschönigende Umschreibung des Schlechten, Leser soll selbst urteilen
- Literatur: vorwiegend Epik
- Vertreter: Fontane, Busch, Keller , Freytag
Märzrevolution
Im Jahre 1848, das als Geburtsstunde des Realismus gilt, passierte die sogenannte Märzrevolution. Durch sie erhofften sich viele, ein demokratisches und vereinigtes Deutschland aufbauen zu können. Damals gab es Deutschland nämlich noch nicht als Bundesrepublik aus 16 Bundesländern, sondern nur als einen losen Deutschen Bund aus kleineren Einzelstaaten mit unterschiedlichen Regierungen, die meist Könige oder Kaiser waren.
Das war auch der Grund, warum sich viele Leute ein größeres Zusammengehörigkeitsgefühl und einen einheitlichen Nationalstaat wünschten. Allerdings scheiterte die Revolution ein Jahr später, und der Deutsche Bund mit seinen anti-demokratischen Herrschern konnte weiter bestehen. Daraufhin stellte sich ein Gefühl der Enttäuschung bei den Menschen ein, die auf mehr Mitbestimmung gehofft hatten, und viele wanderten sogar aus.
Technik und Wissenschaft
Aber nicht nur die misslungene Revolution beeinflusste den Realismus. Auch der technische und wissenschaftliche Fortschritt war ein wichtiges Thema.
Neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse wie die Evolutionstheorie von Charles Darwin und die wachsende Alphabetisierung durch die neu eingeführte Schulpflicht führten dazu, dass die Menschen Dinge hinterfragten, die sie bis dahin bedingungslos akzeptiert hatten.
Religion und gesellschaftliche Systeme wie die Ständegesellschaft sahen sie nicht mehr als selbstverständlich an, sondern sie begannen, an ihnen zu zweifeln. Die Leute konnten nun lesen und schreiben und waren nicht mehr auf den gebildeten Adel angewiesen. Das führte dazu, dass die Menschen keine gemeinsamen Werte mehr hatten, was Spannungen nur noch mehr verstärkte.
Der technische Fortschritt ermöglichte die Industrialisierung , die das Leben vieler Menschen komplett auf den Kopf stellte. Durch die Dampfmaschine konnten viele Dinge neuerdings maschinell und kostengünstig hergestellt werden, weswegen viele ihre Arbeit aufgeben mussten, da sie sich nun nicht mehr lohnte.
Auch ein Großteil der Bauern zog vom Land in die Städte, um in den neu entstandenen Fabriken zu arbeiten. Das rasante Entstehen eines umfangreichen Eisenbahnnetzes brachte eine neue Art der Mobilität mit sich, die es in dieser Geschwindigkeit noch nie gab. Dadurch veränderte sich das Bild der Städte. Zu einer gut abgesicherten, bürgerlichen Mittelschicht und einer kleinen, privilegierten Gruppe Adliger und Geistlicher gesellte sich eine schnell wachsende Arbeiterklasse, die sehr hart arbeitete und sehr wenig besaß.
Durch diesen plötzlichen Anstieg an Einwohnern waren die Städte schnell überfüllt. Zwischen den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen blieben Streitereien nicht lange aus. Zudem gab es nicht genügend Arbeitsplätze für die vielen Arbeitssuchenden. Arbeitslosigkeit und Armut waren die Folge.
Im Zuge dessen verlor auch die Großfamilie an Bedeutung. Während auf dem Land und in den Dorfgemeinschaften eine große, zusammenlebende und arbeitende Familie Überlebenssicherung bedeutete, wurde sie in den engen Städten überflüssig und unpraktisch. Der Mensch als Individuum, das selbst über sein Leben bestimmt und unabhängig ist, stand nun im Vordergrund. Diese Konzentration auf das einzelne Individuum findet sich auch in der Literatur wieder.
Realismus Epoche – Welt- und Menschenbild
Im Realismus war der einzelne Mensch wichtig. Schriftsteller schrieben über das Leben einfacher Bürger, wie Kaufleute oder Bauern, und versuchten, es möglichst neutral und realistisch zu beschreiben. Sie vermieden es also, direkte Kritik an den gesellschaftlichen Umständen zu üben und verhielten sich stattdessen wie neutrale Beobachter.
Aber dadurch, dass sie über das Leben einfacher Leute schrieben, übten sie indirekt Kritik an bestimmten Teilen der Gesellschaft. Sie griffen natürlich auch die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen, die damals zur Mitte des 19. Jahrhunderts die Leben dieser Figuren beeinflussten, auf. Das wichtigste Thema für die Autoren war der Mensch und seine Umgebung, also seine Heimat, und die Vergangenheit.
Allerdings stellten die Schriftsteller des Realismus das weniger Schöne im Leben oft abgeschwächt und verklärt dar. Es lässt sich also darüber streiten, inwieweit der Realismus tatsächlich ‚realistisch‘ war.
Deshalb wird er auch oft als poetischer Realismus bezeichnet, weil er eben durch verschiedene literarische Stilmittel die schlechten Aspekte der Wirklichkeit abschwächt. Solche Stilmittel sind zum Beispiel die Metapher oder die Personifikation . Als Reaktion darauf entwickelte sich später der Naturalismus , der einen radikaleren Ansatz vertrat, und auch die negativen Seiten des Lebens unbeschönigt aufzeigte.
Realismus Literatur – Themen und Motive
Die Epoche des Realismus ist, wie der Name schon sagt, geprägt von Werken, die versuchen, möglichst nah an der Wirklichkeit zu sein. Allerdings stellten die Autoren trotzdem nicht alles komplett neutral dar. Sie versuchten vielmehr, im Alltäglichen das Schöne zu entdecken. Das taten sie, indem sie sich ein spezielles Detail, wie einen bestimmten Gegenstand, heraussuchten und den dann genauer beschrieben.
Durch diese genaue Beschreibung und Überzeichnung machten sie aus gewöhnlichen Gegenständen etwas Besonderes. Deswegen kannst du den Realismus auch poetischen Realismus nennen.
Ein bekanntes Beispiel hierfür findest du in Theodor Fontanes Roman „Effi Briest „. Fontane beschreibt darin eine Schaukel in einem Garten ziemlich detailliert. Diese Schaukel symbolisiert den verspielten Charakter der Hauptfigur Effi Briest, die als spontaner, lebenslustiger Mensch in einer langweiligen arrangierten Ehe leidet.
Hier zeigt sich auch wieder das Motiv des Einzelnen, der im Mittelpunkt steht. Oft griffen die Autoren des Realismus dabei auf die Beschreibung eines Ortes oder einer Landschaft zurück, der dann das Innere einer Figur bildlich oder metaphorisch darstellen sollte. Manchmal kannst du in diesen Beschreibungen sogar den weiteren Handlungsverlauf erahnen.
Oftmals spielte die unmittelbare Umgebung generell eine große Rolle im Realismus. Als Schauplatz der Handlung und Heimat der Figur nahm sie besonders im sogenannten Regionalismus, einer Unterkategorie des Realismus, eine wichtige Stellung ein. Parallel dazu war die Beschäftigung mit der Vergangenheit im Historismus ein beliebtes Motiv der Autoren.
Die Sprache war absichtlich einfach, sodass die meisten Leser diese Symbolik verstanden und sich ein eigenes Bild machen konnten. Dafür hielten die Autoren ihre eigene Meinung zurück, um nicht wertend zu erzählen und die Meinung der Leser zu beeinflussen. Sie benutzten also eine einfache, klare Sprache, um das Leben einer Figur möglichst neutral zu beschreiben, aber schmückten einige Details aus. Kritik wurde nur indirekt geäußert und ein endgültiges Urteil blieb den Lesern überlassen.
Es gab aber auch humorvolle Erzählungen, mit dem Kritik durch Ironie und Satire etwas nachdrücklicher dargestellt wurde. Durch Humor schafften es die Autoren, auch die weniger schönen Seiten des Lebens mit einem gewissen Abstand zu betrachten und Missstände etwas direkter zu kritisieren. Ein sehr bekanntes Beispiel für eine satirische Erzählung ist die Bildergeschichte „Max und Moritz“ von Wilhelm Busch.
Epik
Im Realismus war vor allem die Gattung der Epik weit verbreitet. Zu ihr gehören Romane und Novellen , die sich besonders gut dafür eigneten, die Lebensgeschichte einer Figur möglichst nüchtern und unpersönlich zu erzählen. So gab es viele Gesellschaftsromane, historische Romane und Entwicklungsromane, aber auch Reiseberichte und Dorfgeschichten. Typisch waren wenige Figuren und ein festgelegter Schauplatz und Zeitpunkt.
Der Schriftsteller Theodor Fontane war ein besonders bedeutender Vertreter der realistischen Literatur und einer der ersten, der mit „Effi Briest“ einen deutschen Gesellschaftsroman schrieb.
Dramatik
Im Gegensatz dazu war die Gattung der Dramatik weniger im Realismus vertreten. Das liegt daran, dass in einem Drama weniger der Einzelne im Mittelpunkt steht, sondern vielmehr seine Beziehungen und Handlungen mit anderen thematisiert werden. Trotzdem gibt es wichtige Werke, wie zum Beispiel „Maria Magdalena“ und „Judith“ von Friedrich Hebbel.
Lyrik
Die Lyrik des Realismus grenzte sich stark von der Lyrik der Romantik und des Biedermeier ab. Sie war nämlich um einiges sachlicher und weniger ausgeschmückt mit sprachlichen Mitteln als in der Romantik. Die Sprache war demnach näher an der gesprochenen Sprache und versuchte, neutraler zu beschreiben. Beliebtes Mittel dazu war das Dinggedicht, mit dem Gegenstände beschrieben wurden. Ein sehr bekanntes Beispiel dafür ist Rainer Maria Rilkes „Der Panther “. Aber auch Theodor Fontanes Ballade „Die Brück’ am Tay“ ist ein sehr bedeutendes lyrisches Werk des Realismus.
Wichtige Autoren und Werke des Realismus (Literatur)
- Theodor Fontane: „Effi Briest“, „Irrungen Wirrungen „
- Wilhelm Busch: „Max und Moritz“
- Gustav Freytag: „Soll und Haben“
- Gottfried Keller : „Der grüne Heinrich“
- Marie von Ebner-Eschenbach: „Das Gemeindekind“
- Theodor Storm : „Der Schimmelreiter „
Realismus – Merkmale im Überblick
Hier findest du noch einmal eine Zusammenfassung der wichtigsten Merkmale über die Epoche Realismus:
- Zeitraum: 1848-1890
- Hintergründe: Deutscher Bund aus Einzelstaaten, kein Zusammengehörigkeitsgefühl, anti-demokratische Regierungen, gescheiterte Märzrevolution, technischer Fortschritt, Industrialisierung, Verstädterung, Entstehung einer Arbeiterklasse, neue wissenschaftliche Erkenntnisse, Hinterfragen von Religion und Ständegesellschaft
- Menschenbild: der bürgerliche, einfache Mensch als Einzelner im Mittelpunkt und seine Beziehung zu seiner unmittelbaren Umgebung, das Schöne im Alltäglichen und Gewöhnlichen
- Literatur: möglichst neutrale, nicht wertende Darstellung bürgerlichen Lebens, manche Details werden genau beschrieben, um sie zu etwas besonderem zu machen, kaum direkte Kritik an gesellschaftlichen und politischen Systemen, Beurteilung wird dem Leser überlassen, einfache, aber kunstvolle Sprache, hauptsächlich Epik
- Steigerung: der Naturalismus, der auch die negativen Seiten des Lebens unbeschönigt wiedergibt
Realismus — häufigste Fragen
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Was ist der Realismus in der Literatur?
Der Realismus ist eine Epoche in der Literatur, die von etwa 1848 bis 1890 dauerte. In dieser Zeit wollten Autoren die Wirklichkeit des bürgerlichen Lebens darstellen. Allerdings wurde sie oft verschönert und die negativen Seiten ausgeblendet. Durch Humor und Ironie schafften die Autoren eine Distanz zur Wirklichkeit.
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Was sind die Merkmale des Realismus?
Der Realismus ist eine literarische Epoche von ca. 1848 bis 1890. Zentrales Merkmal des Realismus ist die verherrlichte Darstellung der Wirklichkeit. Dabei stand der einfache, bürgerliche Mensch im Mittelpunkt. Dessen Leben wurde meist neutral beschrieben und Kritik nur indirekt durch Ironie geäußert.
Weimarer Klassik
Vor der Epoche des Realismus gab es in Deutschland die Weimarer Klassik. Aber wie unterscheidet sie sich vom Realismus und was sind typische Vertreter? In unserem Video dazu erfährst du alles, was du darüber wissen musst!