Satz von Stokes
In diesem Artikel wird der Satz von Stokes behandelt. Dabei wird zunächst der allgemeine Stokessche Satz formuliert bevor kurz auf dessen Spezialfälle den Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung (HDI) sowie den Gaußschen Integralsatz eingegangen wird. Darüber hinaus soll der klassische Integralsatz von Stokes als weiterer Spezialfall des allgemeinen etwas genauer beleuchtet werden. Abschließend erfolgt die Berechnung zweier Beispiele.
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Inhaltsübersicht
Allgemeiner Integralsatz von Stokes
Wenn vom Satz von Stokes die Rede ist, so ist damit in den meisten Fällen der klassische Stokessche Integralsatz gemeint. Er stellt einen Spezialfall des allgemeinen Integralsatzes von Stokes dar, welcher wie folgt lautet:
Sei
offen und
eine orientierte
-dimensionale Untermannigfaltigkeit mit
sowie
eine stetig differenzierbare
-Form in
. Dann gilt für jede kompakte Menge
mit glattem Rand
,
wobei
die induzierte Orientierung trägt und
die äußere Ableitung von
bezeichnet.
Zugrundeliegendes topologisches Prinzip
Dem Satz von Stokes liegt das topologische Prinzip zugrunde, dass bei der Pflasterung eines Flächenstücks durch gleichorientierte „Pflastersteine“ die inneren Wege in entgegengesetzter Richtung durchlaufen werden, was dazu führt, dass sich ihre Beiträge zum Linienintegral gegenseitig aufheben und nur noch der Beitrag der Randkurve übrig bleibt.
Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung als Spezialfall
Für
entartet der allgemeine Integralsatz von Stokes zum Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung: Sei
ein offenes Intervall und
eine stetig differenzierbare Funktion. Dann gilt:

Integralsatz von Gauß als Spezialfall
Als weiterer Spezialfall folgt aus dem allgemeinen Integralsatz von Stokes der Gaußsche Integralsatz. Um das zu zeigen wird
gewählt und es sei
,
d.h.
mit dem stetig differenzierbaren Vektorfeld
. Dabei zeigt das Dach über
an, dass dieser Faktor weggelassen werden muss. Sei außerdem
das äußere Einheits-Normalenfeld, so gilt

Mit
ergibt sich außerdem

Letztlich ergibt dies den Gaußschen Integralsatz

Satz von Stokes als klassischer Integralsatz von Stokes
Häufig und vor allem in technischen Studiengängen und der Physik ist die Rede vom Satz von Stokes. Hiermit ist in der Regel der klassische Integralsatz von Stokes gemeint, welcher auch Satz von Kelvin-Stokes oder Rotationssatz genannt wird. Gemeinsam mit dem Gaußschen Integralsatz spielt er eine wesentliche Rolle bei der Formulierung der Maxwell-Gleichungen in der Integralform.
Spezialfall des allgemeinen Integralsatzes von Stokes
Der klassische Satz von Stokes ergibt sich wie der HDI und der Gaußsche Integralsatz als Spezialfall des allgemeinen Integralsatzes von Stokes. In diesem Fall wird die offene Menge
sowie das stetig differenzierbare Vektorfeld
betrachtet.
stelle eine zweidimensionale Untermannigfaltigkeit dar, dessen Orientierung durch das Einheits-Normalen-Feld
gegeben sei. Auf der Untermannigfaltigkeit
sei weiter ein Kompaktum
gegeben, welches einen glatten Rand
besitze. Dieser wiederum sei durch das Einheits-Tangenten-Feld
orientiert. Mit der in
stetig differenzierbaren Pfaffschen Form

und

ergibt sich somit der Satz von Stokes:

In einer anderen Schreibweise lautet er:

Satz von Stokes Formulierung
Es lässt sich folgendes ablesen:
Der Satz von Stokes besagt, dass ein Flächenintegral über die Rotation eines Vektorfeldes unter bestimmten Voraussetzungen in ein geschlossenes Kurvenintegral über die zur Kurve tangentiale Komponente des Vektorfeldes umgewandelt werden kann. Die durchlaufene Kurve muss dabei dem Rand der betrachteten Fläche entsprechen.
Satz von Stokes Beweis
Im Folgenden soll der Satz von Stokes bewiesen werden. Für diesen Beweis wird allerdings eine kleine Bedingung an die Fläche
gestellt. Diese soll der Graph einer Funktion
sein, welche über einem Gebiet in der
-Ebene definiert ist. Mit
und
seien die Projektionen von
und dem im Gegenuhrzeigersinn orientierten Rand
auf die
-Ebene bezeichnet.
sei durch

parametrisiert, woraus mithilfe der Kettenregel folgt:

Das bedeutet für das im Satz von Stokes betrachtete Kurvenintegral:



Durch Zusammenfassen ergibt sich:
![Rendered by QuickLaTeX.com \int_{\partial A}f\cdot d\vec{s}=\int_{\partial A}[f_1(\vec{s}(t))+f_3(\vec{s}(t))\cdot g_x(x(t),y(t))]\cdot x'(t)](https://blog.assets.studyflix.de/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-ff8e7ff3e6754114f9cdce49192f7ee3_l3.png)
![Rendered by QuickLaTeX.com +[f_2(\vec{s}(t))+f_3(\vec{s}(t))\cdot g_y(x(t),y(t))]\cdot y'(t)dt](https://blog.assets.studyflix.de/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-dad1a61917c9b00cf317cad9528f786e_l3.png)
Wird nun


gesetzt, so kann das Integral folgendermaßen geschrieben werden:

Mit dem Satz von Green in der
-Ebene kann dieses Integral umgeschrieben werden zu:
![Rendered by QuickLaTeX.com \int_{\partial A}f\cdot d\vec{s}=\int_{P}\left[\frac{\partial h_2}{\partial x}-\frac{\partial h_1}{\partial y}\right]dxdy](https://blog.assets.studyflix.de/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-325cb5e49560697e1254433f61dc6996_l3.png)
Da für die partiellen Ableitungen
von
und
mithilfe der Ketten- und Produktregel


gilt, ergibt sich folgendes Integral:

Für die andere Seite
des Satzes von Stokes gilt in dem betrachteten Fall:

sowie

Dadurch ist die Gleichheit der beiden Seiten und der Satz von Stokes für diesen Fall bewiesen:

Satz von Stokes Beispiel
Im Folgenden soll der Satz von Stokes beispielhaft für zwei gegebene Problemstellungen angewandt werden.
Satz von Stokes Beispiel Halbkugelschale
Im ersten Beispiel sei das Vektorfeld
sowie die Halbkugelschale
für
gegeben.
Um die Gleichheit der beiden Seiten im klassischen Integralsatz von Stokes zu zeigen, werden ein paar Vorarbeiten erledigt. Es lässt sich leicht nachrechnen, dass gilt:

Außerdem gilt für das Flächenelement
in Kugelkoordinaten:

Die Randkurve
kann des Weiteren wie folgt parametrisiert werden:
![Rendered by QuickLaTeX.com t\in[0,2\pi]](https://blog.assets.studyflix.de/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-c93d273a30eac9be743c2aade776e030_l3.png)
Somit ergibt sich für die eine Seite:
![Rendered by QuickLaTeX.com \begin{align*}\int_{A}\mathrm{rot}f\cdot d\vec{S} &=\int_{0}^{\pi/2}\int_{0}^{2\pi}(\sin \vartheta\cdot \cos \varphi+\sin \vartheta\cdot \sin \varphi+\cos \vartheta)\sin \vartheta \; d\varphi d\vartheta \\ &=\int_{0}^{\pi/2}\int_{0}^{2\pi}\sin^2 \vartheta\cdot \cos \varphi+\sin^2 \vartheta\cdot \sin \varphi + \cos \vartheta\sin \vartheta \; d\varphi d\vartheta \\ &= \int_{0}^{\pi/2} 0 + 0 + 2\pi \cdot \cos \vartheta\sin \vartheta \; d \vartheta \\ &= 2\pi \cdot \left[ \frac{1}{2} sin^2 \vartheta\right]_{\vartheta = 0}^{\pi/2} \\ &= \pi \end{align*}](https://blog.assets.studyflix.de/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-99c73c0ac80bc0cb742cb747642291a7_l3.png)
Die andere Seite berechnet sich zu:


Somit ist gezeigt, dass die separate Berechnung beider Seiten zum selben Ergebnis führt.
Da die Kreisscheibe
mit
und
den selben Rand
besitzt wie die eben betrachtete Halbkugelschale, ist auch der Wert des Integrals
derselbe.
Satz von Stokes Beispiel Zylindermantel
Im zweiten Beispiel soll der Fluss der Rotation des Vektorfeldes
von innen nach außen durch den Zylindermantel
für
berechnet werden. Hierzu wird nach dem klassichen Stokesschen Satz das Kurvenintegral entlang des Randes
von
über das Vektorfeld
bestimmt.
Das Kurvenintegral
teilt sich auf in das Integral über die obere Umrandung
und die untere Umrandung
des Zylindermantels.
Diese werden wie folgt parametrisiert:
![Rendered by QuickLaTeX.com t\in[0,2\pi]](https://blog.assets.studyflix.de/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-c93d273a30eac9be743c2aade776e030_l3.png)
![Rendered by QuickLaTeX.com t\in[0,2\pi]](https://blog.assets.studyflix.de/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-c93d273a30eac9be743c2aade776e030_l3.png)
Somit berechnet sich der Fluss der Rotation von
durch
zu:



![Rendered by QuickLaTeX.com =[1]_{0}^{2\pi}+0=2\pi](https://blog.assets.studyflix.de/wp-content/ql-cache/quicklatex.com-3a068544d5ec06d5f9c9040fe72501d7_l3.png)