Gretchentragödie

Gretchentragödie — einfach erklärt

Die Gretchentragödie ist Teil von Johann Wolfgang Goethes Drama „Faust“. Sie beschreibt den Verlauf der Liebesbeziehung zwischen Faust und Gretchen von Beginn bis zum tragischen Ende.

Die Entwicklung der Gretchentragödie kannst du nach dem typischen Aufbau eines Dramas in fünf Akten zusammenfassen: 

1. Exposition: Gretchen ist ein junges, gehorsames und braves Mädchen, das sich stets an die Regeln und Sitten der Gesellschaft hält.
2. Steigende Handlung mit erregendem Moment: Gretchen lernt Faust kennen und verliebt sich in ihn. Die Liebe sowie die teuren Geschenke von ihm versteckt sie vor ihrer Mutter.
3. Peripetie (Wendepunkt): Gretchen lässt sich von ihrer Begierde leiten und wird von Faust in einer Liebesnacht verführt.
4. Retardierendes Moment (Fallende Handlung): Gretchen hat einen moralischen Konflikt, da ihre Beziehung und ihre Taten gesellschaftlichen Normen widersprechen. Außerdem wird sie schwanger.
5. Katastrophe: Aus Zweifel und Sorge vor gesellschaftlicher Ächtung tötet sie das Kind. Schließlich erfährt die Öffentlichkeit von dem Kindsmord, sodass Gretchen zur Todesstrafe verurteilt wird und stirbt.

direkt ins Video springen

Übrigens: Goethes Werk „Faust“ besteht aus zwei Teilen, die du „Faust I“ und „Faust II“  nennst. Die Gretchentragödie spielt dabei in Faust I.

Gretchentragödie — Zusammenfassung

Die Gretchentragödie beginnt mit der Exposition, in der Gretchen als liebenswertes, junges Mädchen vorgestellt wird. Sie führt ein kleinbürgerliches und sittliches Leben, da sie viel Wert auf gesellschaftliche Normen und Religion legt. Eines Tages trifft sie auf Faust, einen charismatischen und gebildeten Wissenschaftler, und zeigt im Laufe der Zeit immer mehr Interesse an ihm. Auch er ist von Gretchen begeistert und schenkt ihr Schmuck, um ihr Herz zu gewinnen.

Gretchen sammelt die teuren Geschenke und versteckt sie vor ihrer Mutter. Vom Materialismus beeinflusst, träumt sie von einem sozialen Aufstieg und lässt sich immer mehr von ihren Begierden leiten. Als Faust mit Gretchen eine Liebesnacht plant, überzeugt er sie davon, ihrer Mutter Schlaftropfen zu verabreichen, um sich nachts in Gretchens Zimmer einzuschleichen. Ohne zu wissen, dass die Schlaftropfen giftig sind, befolgt Gretchen den Plan. Noch in derselben Nacht verliert Gretchen ihre Unschuld an Faust.

Unbestimmte Zeit später unterhält sich Gretchen mit ihrer Freundin Lieschen. Dabei thematisiert Lieschen, wie uneheliche Schwangerschaften zur gesellschaftlichen Ausgrenzung und sogar Bestrafungen führen. Wie die Handlung schon andeutet, war Gretchen zu dem Zeitpunkt von Faust schwanger. Im Gespräch erkennt Gretchen ihre Sünde und geht voller Zweifel und Angst in die Kirche, um zu beichten.

Von Schuldgefühlen geplagt, wird Gretchen von einem bösen Geist heimgesucht. Es wird deutlich, dass Gretchen einem moralischen Konflikt ausgesetzt ist zwischen ihrem Wunsch nach gesellschaftlicher Zugehörigkeit und ihren Sünden. Außerdem erfährt Gretchen, dass sie ihre eigene Mutter durch die giftigen Schlaftropfen ermordet hat. 

Die Katastrophe spitzt sich zu, als sich Gretchen voller Zweifel an einen geheimen, abgelegenen Ort begibt und ihr neugeborenes Kind dort schließlich tötet. Die Öffentlichkeit erfährt davon und verurteilt sie zur Todesstrafe. Im Kerker versucht Faust sie zu retten und zur Flucht zu überreden, aber Gretchen weigert sich und stellt sich ihrem Schicksal. In ihren letzten Minuten betet sie zu Gott, der ihr ihre Sünden vergibt und damit Gretchen von ihrem Leid erlöst.

Faust und Gretchen — Steckbrief

In der Gretchentragödie sind die Protagonisten Faust und Gretchen, die du folgendermaßen charakterisieren kannst:

Faust

• ambitioniert
• leidenschaftlich
• gebildeter Wissenschaftler
• schließt einen Pakt mit dem Teufel Mephistopheles
• verliebt sich unter Einfluss eines Zaubers in Gretchen
• schwängert Gretchen und versucht sie vor der Hinrichtung zu retten

Margarete (Gretchen)

• jung und unschuldig
• naiv
• religiös
• moralisch getrieben  
• lässt sich von Faust verführen und wird schwanger
• begeht im Moment der Verzweiflung Kindsmord
• wird zur Hinrichtung durch den Strick verurteilt

Tipp: Eine ausführliche Charakterisierung von Faust, Gretchen und den wichtigsten Nebenfiguren findest du hier!

Gretchentragödie — Beziehung zwischen Faust und Gretchen

Die Gretchentragödie hat viele offene Fragen und Themenpunkte, die je nach Interpretation verschieden beantwortet werden können. So kannst du beispielsweise anhand folgender Argumente begründen, woran die Beziehung von Faust und Gretchen scheiterte:

• Oberflächliche Verliebtheit
  Faust verliebt sich nicht aufgrund einer tiefen Verbindung zu Gretchen in sie. Er steht nämlich unter Einfluss von Mephisto. Durch den Verjüngungstrank, den Faust zu sich genommen hat, sieht er in jeder beliebigen Frau die schöne und begehrenswerte Göttin Helena.
   
  „Du siehst, mit diesem Trank im Leibe,
  Bald Helenen in jedem Weibe“ — (Szene 6, Z. 460f.)
   
  Fausts Gefühle für Gretchen beruhen also auf Triebhaftigkeit und nicht auf aufrichtiger Liebe. 
   
• Einseitige Liebe
  Dahingegen empfindet Gretchen für Faust wahre Liebesgefühle, trifft fragwürdige Entscheidungen und verwirft ihre eigenen moralischen Wertevorstellungen für Faust. Die Beziehung ist also von Einseitigkeit geprägt.
   
• Große Charakter- und Altersunterschiede
  Faust ist wesentlich älter als Gretchen und hat einen höheren sozialen Status. Er befindet sich somit in einer Machtposition. Als erfahrener und gebildeter Wissenschaftler legt er nicht viel Wert auf Normen oder Religion. Er sieht Gretchen nicht als ebenbürtig, sondern eher als naives, junges Mädchen. Das erkennst du daran, dass er sie immer wieder „Kind“ oder „Liebchen“ nennt.
   
  Im Gegensatz dazu verkörpert Gretchen das bürgerliche Vorbild: Disziplin, Sittsamkeit, Gehorsamkeit und gesellschaftliche Normen spielen eine große Rolle für sie. Somit haben die beiden Protagonisten sehr unterschiedliche Charaktereigenschaften und sind nicht kompatibel.
  

Gretchentragödie — Ende und Schuldfrage

Die Gretchen Tragödie endet in der Kerkerszene mit Gretchens Tod. Aufgrund ihrer Verzweiflung über die Beziehung zu Faust hat sie ihr eigenes Kind getötet. Als Konsequenz wird sie schließlich zur Hinrichtung verurteilt.

Wer letztendlich die Schuld an dem tragischen Tod und Ende der Liebesbeziehung trägt, ist offen zur Interpretation. Einerseits kann Faust zur Verantwortung gezogen werden, da er das junge und naive Gretchen mit seinem Charisma und teuren Geschenken verführt hat, ihre Mutter mit den Schlaftropfen planmäßig vergiftet und Gretchen im Moment der Verzweiflung im Stich gelassen hat. 

Aber auch Gretchen trägt Schuld, da sie sich von ihren eigenen moralischen Vorstellungen abgewandt hat, obwohl sie sich ihren Unterschieden zu Faust bewusst war. Letztendlich verabreichte sie die tödlichen Schlaftropfen an ihre Mutter und beging Kindsmord. Die Schuldfrage kann also mit beiden Figuren beantwortet werden.

Gretchenfrage

Klasse! Jetzt kennst du dich bestens mit der Gretchen Tragödie aus. Während sich die Beziehung zwischen Faust und Gretchen entfaltet, stellt sie die Gretchenfrage. Welche Frage das ist und wie Fausts Antwort lautet, erfährst du hier!