Der Verschollene – Zusammenfassung
Worum geht es in „Der Verschollene“ von Franz Kafka? In diesem Beitrag und im Video zeigen wir dir eine Zusammenfassung zu „Der Verschollene“ mit einer Interpretation.
Inhaltsübersicht
Der Verschollene — Übersicht
„Der Verschollene“ ist ein Romanfragment, also ein unvollständiger Roman von Franz Kafka. Darin geht es um den 16-jährigen Karl Roßmann, der von Polen in die USA ziehen und sich dort mit den Schwierigkeiten des Lebens auseinandersetzen muss. Der Verlauf seines Lebens ist dabei von Zufällen bestimmt und die Zusammenhänge der Geschehnisse bleiben undurchschaubar.
- Entstehungszeitraum: 1911-1914
- Veröffentlichung: 1927
- Autor: Franz Kafka
- Gattung: Roman
- Epoche: Expressionismus
- Hauptfiguren: Karl Roßmann, Edward Jakob, Delamarche und Robinson
Gut zu wissen: Kafka hat den Roman nie fertiggestellt. Das Werk wurde deshalb erst drei Jahre nach Kafkas Tod im Jahr 1927 unter dem Titel „Amerika“ veröffentlicht. Ein solches unvollständiges Werk bezeichnest du als Fragment.
Der Verschollene — Inhaltsangabe
Der 16-jährige Karl Roßmann wird von seinen Eltern verstoßen und muss von Prag in die USA ziehen. Bei seiner Ankunft in New York wird er von seinem Onkel, einem erfolgreichen Geschäftsmann, in Empfang genommen. Karl wohnt zunächst bei seinem Onkel, doch dieser setzt ihn wenig später auf die Straße.
Ohne rechten Plan zieht Karl weiter und trifft zwei Landstreicher, Robinson und Delamarche. Er schließt sich ihnen an, denn gemeinsam wollen sie Arbeit finden. Als die Männer Karl jedoch ausrauben, trennt er sich von ihnen und findet eine Anstellung als Liftboy in einem Hotel.
Doch kurz darauf taucht Robinson betrunken im Hotel auf und sucht nach Karl. Als der Mann zusammenbricht, versteckt Karl ihn heimlich im Schlafsaal der Liftboys und wird deswegen entlassen.
Karl muss sich erneut den Landstreichern anschließen und zieht in eine Wohnung, die von Robinson, Delamarche und dessen Geliebten Brunelda bewohnt wird. Die beiden behandeln Karl wie einen Diener und verbieten ihm, zu fliehen. Niedergeschlagen nimmt Karl sein Schicksal an.
Eines Tages jedoch sieht Karl ein Plakat des Theaters von Oklahoma, das nach Personal sucht. Der Aufnahmeprozess ist kompliziert, doch Karl gelingt es, eine Anstellung als technischer Mitarbeiter zu ergattern. Gemeinsam mit den anderen neuen Arbeitern fährt er anschließend mit dem Zug nach Oklahoma. Auf dieser Reise begreift Karl erst, wie groß Amerika wirklich ist.
Figurenkonstellation
Mithilfe unserer Figurenkonstellation lernst du die wichtigsten Charaktere besser kennen.
Karl Roßmann
- 16 Jahre alt
- von Eltern verstoßen
- zieht in die USA
- unschuldig
- viele Schicksalsschläge
Edward Jakob
- Karls Onkel mütterlicherseits
- erfolgreicher Geschäftsmann
- nimmt Karl in Amerika bei sich auf
- wirft Karl hinaus, nachdem dieser gegen seinen Willen gehandelt hat
Delamarche und Robinson
- Landstreicher
- nutzen Karl aus
- bestehlen Karl
- machen Karl zu ihrem Diener
Johanna Brummer
- Dienstmädchen im Haushalt von Karls Familie in Prag
- verführt Karl
- bekommt ein Kind von ihm
- ist der Grund für Karls Verbannung
- schreibt einen Brief an Onkel Edward Jakob und bittet ihn, Karl aufzunehmen
Der Verschollene — Zusammenfassung
Der Roman ist unvollständig und endet nach dem achten Kapitel. Allerdings gibt es einen Zeitsprung zwischen dem achten Kapitel und dem vorherigen, denn dieser Teil des Fragments wurde erst später entdeckt und hinzugefügt. Ursprünglich sollte das achte Kapitel wohl eher am Ende der Geschichte liegen.
Die Schauplätze der Handlung sind Prag, New York und andere ausgedachte Orte in der Nähe, sowie die Kleinstadt Ramses.
1. Kapitel: Der Heizer
Der Jugendliche Karl Roßmann wird vom 20 Jahre älteren Dienstmädchen Johanna Brummer gezwungen, mit ihr zu schlafen. Als sie daraufhin schwanger wird, muss Karl sein Elternhaus in Prag verlassen und nach Amerika ziehen.
Bei der Ankunft in Amerika begegnet Karl einem Schiffsheizer. Dieser hat Probleme mit seinem Vorarbeiter und kann sich nicht dagegen wehren. Deshalb beschließt Karl, dem Heizer zu helfen und gemeinsam gehen die beiden zum Kapitän. Doch die Beschwerde des Heizers wird von allen Anwesenden ignoriert.
Einer der Männer stellt sich jedoch als Karls Onkel Edward Jakob vor. Johanna hatte ihm einen Brief geschrieben und ihn darum gebeten, Karl bei sich aufzunehmen. Karl ist erleichtert, bei seinem Onkel unterzukommen. Gleichzeitig fühlt er sich aber unwohl, wenn er an das harte Schicksal des Heizers denkt.
2. Kapitel: Der Onkel
Im Haus von Karls Onkel fehlt es dem Jugendlichen an nichts. Er nimmt Englischstunden, bekommt ein Klavier geschenkt und genießt den Luxus seines neuen Lebens in New York. Bei einem Reitturnier lernt Karl den Millionärssohn Mack kennen und die beiden werden Freunde.
Einige Zeit später stellt Onkel Edward Jakob seinem Neffen sein erfolgreiches Unternehmen vor. Dabei lernt Karl auch die Geschäftsfreunde seines Onkels, Green und Pollunder, kennen. Pollunder versteht sich gut mit Karl und lädt ihn in sein Landhaus ein. Obwohl der Onkel ihn davon abhalten will, nimmt Karl die Einladung an.
3. Kapitel: Ein Landhaus bei New York
Karl besucht Pollunder in seinem Landhaus und lernt dort dessen Tochter Klara kennen. Doch auch Green kommt spontan dazu und flirtet mit Klara. Später lockt Klara Karl in die oberen Zimmer des Hauses. Sie verwickelt ihn in eine Rangelei und Karl fühlt sich zunehmend unwohl. Er möchte am liebsten sofort zum Haus seines Onkels zurückkehren.
Jedoch wird Karl von Green aufgehalten. Dieser will Karl einen Brief aushändigen. Das dürfe er allerdings erst nach Mitternacht. Karl geht deshalb zurück nach oben und trifft auf Mack, den er beim Reitturnier getroffen hat. Es stellt sich heraus, dass Mack und Klara verlobt sind.
Um Mitternacht erhält Karl von Green schließlich einen Brief seines Onkels. Darin steht, dass Karl aus dem Haus des Onkels verbannt sei, denn er habe Pollunders Einladung angenommen. Karl verlässt schließlich das Landhaus, ohne zu wissen, was er nun tun soll.
4. Kapitel: Weg nach Ramses
Karl findet Unterschlupf in einer heruntergekommenen Herberge. Hier lernt er zwei Tagelöhner kennen: den Iren Robinson und den Franzosen Delamarche. Die beiden wollen in einer benachbarten Kleinstadt nach Arbeit suchen. Karl schließt sich ihnen an.
Als er in einem Hotel Lebensmittel besorgen will, bietet ihm die Oberköchin an, im Hotel zu übernachten. Doch Karl lehnt ab und will zu seinen neuen Bekannten Robinson und Delamarche zurückkehren. Die haben aber in der Zwischenzeit Karls Koffer aufgebrochen und durchsucht. Wütend trennt Karl sich daraufhin von ihnen und übernachtet nun doch im Hotel.
5. Kapitel: Hotel Occidental
Die Oberköchin des Hotels stammt aus Wien und fühlt sich deshalb mit dem tschechischen Karl verbunden. Mit ihrer Hilfe bekommt Karl eine Anstellung als Liftboy im Hotel. Außerdem schließt er Freundschaft mit der jungen Sekretärin Therese Berchtold. Sie erzählt Karl von ihrer schwierigen Kindheit und die beiden verbringen den Feierabend zusammen mit der Oberköchin.
Karl muss lange Schichten arbeiten und ist deshalb oft übermüdet. Trotzdem strengt er sich an. Sein Kollege Renell nutzt ihn deshalb aus und lässt Karl oft einspringen. Eines Tages erzählt er Karl von einem Mann namens Delamarche, der im Hotel nach Karl gefragt hat. Karl rät Renell, sich von Delamarche fernzuhalten und ihm nichts über Karl zu erzählen.
Schon gewusst? Ein Liftboy in einem Hotel bedient den Aufzug und steht den Gästen mit Informationen zur Seite.
6. Kapitel: Der Fall Robinson
Einige Tage später taucht Robinson im Hotel auf. Er ist betrunken und verlangt, dass Karl zu ihm und Delamarche zurückkehrt. Dann bricht er zusammen. Karl beschließt, den Betrunkenen im Schlafsaal zu verstecken, den er sich mit den anderen Liftboys teilt.
Karls Abwesenheit am Arbeitsplatz fällt jedoch auf und er muss sich vor seinem Vorgesetzten verantworten. Dabei muss er sich gegen ungerechte Vorwürfe wehren. Schließlich wird Robinson im Schlafsaal der Liftboys entdeckt und Karl verliert seinen Job. Weder die Oberköchin noch Therese können ihm helfen.
Karl will das Hotel verlassen, wird aber im letzten Moment vom Portier zurückgehalten. Dieser behauptet, Karl hätte ihn nie gegrüßt und will sich jetzt dafür rächen. In diesem Moment wird der verletzte Robinson durch die Lobby getragen. Er ist im Schlafsaal der Liftboys verprügelt worden. Weil Robinson nach ihm ruft, lässt Karl einen Wagen kommen und begleitet Robinson zu dessen Wohnung.
Schon gewusst? Ein Portier ist eine Art Türsteher in einem Hotel, der für das Gepäck der Gäste verantwortlich ist.
7. Kapitel: Ein Asyl
Bei der Ankunft vor Robinsons Wohnung fällt Karl auf, dass er den Fahrer nicht bezahlen kann. Er muss deshalb vor der Polizei flüchten und findet Unterschlupf in Robinsons Wohnung. Dort leben neben Robinson auch noch Delamarche und dessen Geliebte, die Sängerin Brunelda. Das Paar behandelt Robinson wie einen Diener. Karl fordert Robinson auf, sich gegen die Behandlung zu wehren. Doch dann erfährt er, dass er der neue Diener werden soll.
Bald darauf wird Karl von Brunelda wie ihr Untertan behandelt. Er versucht deshalb zu fliehen. Jedoch kommt er nicht weit und wird von Delamarche zusammengeschlagen. Am Abend sieht Karl auf dem benachbarten Balkon den Studenten Josef Mendel. Er erzählt ihm von seiner Gefangenschaft und bittet den Studenten um Rat. Doch der rät Karl, bei Delamarche zu bleiben. Karl lernt deshalb, sein Schicksal zu akzeptieren.
Gut zu wissen: Ursprünglich endete das Fragment nach diesem Kapitel. Der Text des achten Kapitels wurde erst später in Kafkas Nachlass entdeckt und hinzugefügt.
8. Kapitel: Das Naturtheater von Oklahoma
Eines Tages sieht Karl ein Plakat des Theaters Oklahoma, das nach Personal sucht. Er sieht darin seine Chance und fährt mit der U-Bahn zur angegebenen Adresse. Dort angekommen begegnet er seiner alten Freundin Fanny, die auch im Theater auftritt.
Nach einem komplizierten und undurchschaubaren Anmeldeverfahren wird Karl schließlich als technischer Mitarbeiter angestellt. Auf der Zugreise nach Oklahoma wird ihm zum ersten Mal bewusst, wie weitläufig Amerika wirklich ist.
Zugehörigkeit und Vertreibung
Karls Geschichte im Roman ist geprägt von dem Wunsch, dazuzugehören und anzukommen. Doch überall, wo er sich niederlässt, wird er bald vertrieben. Jede Vertreibung bringt ihn in eine noch schlechtere Lebenslage und er wird gezwungen, sich mit seinem Schicksal auseinanderzusetzen. Am Anfang wird er beispielsweise von seinen Eltern verstoßen und muss nach Amerika auswandern.
Dort angekommen, wird Karl zwar von seinem Onkel aufgenommen, doch auch bald wieder auf die Straße gesetzt. Ohne Geld und ohne Plan gelangt Karl schließlich zum Hotel. Aber auch seine Anstellung als Liftboy ist nicht von Dauer und Karl wird erneut vertrieben. Schließlich endet er als unfreiwilliger Diener für Delamarche und seine Geliebte Burnelda. Erst das Theater in Oklahoma verspricht, ein Zufluchtsort zu werden. Ob Karl sein Glück im Theater findet oder wieder vertrieben wird, bleibt unklar.
Amerika
Amerika spielt eine große Rolle in Kafkas Roman. Denn zu Kafkas Zeiten galt der Kontinent als Symbol der Moderne. Amerika entwickelte sich immer weiter, ständig gab es neue Erfindungen und Produkte. Doch diese Schnelllebigkeit hat auch dunkle Seiten.
Denn hinter den schimmernden Fassaden der Großstadt liegen bedrohliche Machtverhältnisse. Karls Leben in Amerika ist geprägt von Ungewissheit und unvorteilhaften Zufällen. Er kann sich nicht gegen sein Schicksal wehren, sondern ist völlig auf sich allein gestellt und dem fremden Land ausgeliefert. Erst die Reise nach Westen gibt ihm die Hoffnung auf eine bessere Zukunft.
Das Reisen von Ost nach West ist ein bekannter Mythos, der sich in vielen Erzählungen über Amerika findet. Karl folgt bei seiner Reise der „going west“ Bewegung der europäischen settler, die sich im 17. Jahrhundert zunächst an der Ostküste niederließen und später Richtung Westen zogen.
Der Verschollene — Zeitgeschichtlicher Hintergrund
Das unvollendete Romanfragment gehört zur Epoche des Expressionismus. Denn obwohl es erst 1927 veröffentlicht wurde, hat Kafka bereits 1911 bis 1914 an dem Werk gearbeitet.
Zu beliebten Motiven im Expressionismus gehören zum Beispiel die Großstadt und die damit verbundene Reizüberflutung. Das siehst du auch in „Der Verschollene“. Bei seiner Ankunft in New York ist Karl fasziniert von der Schnelllebigkeit der Großstadt. Doch die vielen neuen Eindrücke drohen, ihn zu überfordern.
Trotz der Bezüge zum Expressionismus bleibt der Roman undurchschaubar. Das hat zwar wenig mit der Epoche zu tun, aber ist typisch für Kafkas Werke. Die Hauptfiguren in Kafkas Erzählungen sind oft bedrohlichen Machtverhältnissen ausgeliefert, gegen die sie sich nicht wehren können. Diese mysteriösen Umstände, aus denen es kein Entkommen gibt, bezeichnest du als kafkaesk.
Kafkaesk
Jetzt kennst du die Zusammenfassung zu „Der Verschollene“. Du willst wissen, was es mit der Bezeichnung „kafkaesk“ auf sich hat? Dann schau gleich hier vorbei.