Der Vorleser – Zusammenfassung
Du suchst eine übersichtliche Zusammenfassung von „Der Vorleser“? Dann bist du hier genau richtig, denn wir stellen dir hier und in unserem Video den Inhalt und die Figuren des Romans vor!
Inhaltsübersicht
Der Vorleser — Übersicht
In dem Roman „Der Vorleser“ von Bernhard Schlink geht es um den Jugendlichen Michael Berg. Er führt eine heimliche Beziehung mit der älteren Hanna Schmitz, die sich später als Kriegsverbrecherin herausstellt. Dieses Verhältnis verändert sein restliches Leben und seine späteren Beziehungen sehr.
- Veröffentlichung: 1995
- Autor: Bernhard Schlink
- Gattung: Roman
- Epoche: Gegenwartsliteratur/ Postmoderne
- Hauptfiguren: Michael Berg, Hanna Schmitz, Sophie, Gertrud
- Aufbau: 3 Teile mit insgesamt 46 Kapiteln
Der Vorleser — Inhaltsangabe
In „Der Vorleser“ lernt der 15-jährige Michael Berg die 21 Jahre ältere Hanna Schmitz kennen und beginnt eine Affäre mit ihr. Dabei liest er ihr jeden Tag vor. Eines Tages verschwindet Hannah plötzlich und Michael versucht, sie zu vergessen. Als er später Jura studiert, besucht er Gerichtsverhandlungen von Aufseherinnen in Konzentrationslagern (KZs). Er erkennt Hanna wieder. Sie wird nach den Prozessen zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
In den folgenden Jahren muss Michael immer wieder an sie denken, wodurch seine Ehe und weitere Beziehungen scheitern. Er beginnt, Hanna Aufnahmen zu schicken, in denen er Bücher vorliest. Denn Hanna ist Analphabetin. Sie kann also nicht lesen und schreiben. Doch mit seinen Aufnahmen bringt sie es sich bei. Michael besucht sie nur einmal und erkennt seine geliebte Hanna nicht wieder, was er nicht akzeptieren möchte. Am Tag ihrer vorgezogenen Entlassung nimmt Hanna sich schließlich das Leben.
Der Vorleser — Figurenkonstellation
Damit du den Inhalt besser verstehen kannst, zeigen wir dir jetzt eine Figurenkonstellation für „Der Vorleser“ mit den wichtigsten Figuren.
Michael Berg
- Protagonist des Romans
- liebt Hanna, richtet sein Leben nach ihr aus
- studiert Jura
- schüchtern, unterwürfig, sensibel
Hanna Schmitz
- Michaels Geliebte
- ehemalige KZ-Aufseherin
- kann nicht lesen und schreiben (= Analphabetin)
- abweisend, dominant, unsensibel, gewalttätig
Sophie
- Klassenkameradin von Michael
- versteht sich gut mit ihm
- muss später in Behandlung, weil sie krank ist
- verständnisvoll und liebevoll
Gertrud
- spätere Frau von Michael
- studiert mit ihm
- haben gemeinsam eine Tochter namens Julia
- loyal und zuverlässig
Weitere Figuren
- Michaels Mutter: wird wenig von Michael erwähnt, haben aber ein gutes Verhältnis
- Michaels Vater: Philosophieprofessor
- Michaels Geschwister: zwei Schwestern und ein älterer Bruder; Bruder hat kein gutes Verhältnis zu Michael
Der Vorleser — Zusammenfassung
Der Roman ist in drei Teile gegliedert und aus der Sicht von Michael (Ich-Erzähler) erzählt.
Erster Teil
Teil 1 — Kapitel 1
Michael Berg beginnt mit einer Rückblende: Im Alter von 15 Jahren erkrankte er an Gelbsucht. Auf dem Heimweg von der Schule überkommt ihn Übelkeit und er übergibt sich gegen eine Hauswand. Eine Frau — deren Namen er nicht kennt — hilft ihm, sich zu säubern und bringt ihn dazu, gemeinsam den Gehweg zu reinigen. Dann begleitet sie ihn nach Hause. Ein Arzt diagnostiziert schließlich Gelbsucht. Michael erzählt seiner Mutter von der Frau. Als er wieder gesund ist, schickt seine Mutter ihn mit einem Blumenstrauß zu ihr, um sich zu bedanken.
Teil 1 — Kapitel 2
Michael beschreibt das Haus, in dem die Frau wohnt. Es ist düster und geheimnisvoll, aber gleichzeitig auch sehr prächtig durch die steinernen Löwen. Er erzählt auch, dass es dieses Gebäude heute nicht mehr gibt. Als Kind war Michael von dem Haus fasziniert. Bis heute erscheint es in seinen Träumen — jedoch gelingt es ihm nie, es im Traum zu betreten. Immer wieder träumt er denselben Traum, mit demselben unerfüllten Drang, einzutreten.
Teil 1 — Kapitel 3
Die Frau lässt Michael in ihre Wohnung und es stellt sich heraus, dass ihr Nachname Schmitz ist. Er beschreibt ihre Wohnung genauer: ein schmaler Grundriss und die Küche der größte Raum — mit Badewanne, Badeofen, Kleiderschrank und Couch darin. Vom Wohnzimmer aus kann man auf die Bahnhofsstraße schauen.
Frau Schmitz bzw. Hanna ist mit Bügelwäsche beschäftigt, während sie sich mit Michael unterhält. Michael beschreibt auch sie sehr genau — ihre Bewegungen, ihre Kleidung, ihre Ausstrahlung — doch an das Gespräch erinnert er sich später nicht.
Teil 1 — Kapitel 4
Bevor Michael die Wohnung verlässt, bittet Hanna ihn zu warten, damit sie gemeinsam das Haus verlassen können. Beim Umziehen im Unterkleid zieht sie sich Strümpfe an — ein Moment, der Michael fasziniert und sexuell erregt. Als Hanna bemerkt, dass er sie beobachtet, verlässt er fluchtartig das Haus.
Auf dem Heimweg denkt er darüber nach, warum ihn diese Szene so sehr aufgewühlt hat. Im Rückblick beschreibt er, wie dieser Moment ihn dauerhaft geprägt hat: Immer wieder bittet er Frauen später, Strümpfe oder Strapse anzuziehen. Die scheinbare Alltäglichkeit dieser Szene bleibt für ihn erotisch aufgeladen und lebendig.
Teil 1 — Kapitel 5
Michael beschreibt seine Fieberfantasien von Hannah und das Umfeld, in dem er aufgewachsen ist: seine Mutter, seine große Schwester und seine christlich geprägte Erziehung. Außerdem hatte er oft erregende Träume und fühlt sich deshalb schuldig. Er befindet sich in einem moralischen Zwiespalt zwischen seiner Sexualität und seiner Erziehung — ausgelöst durch die Fantasien von Hanna.
Eine Woche später steht Michael erneut vor Hannas Tür. Er führt seine Langeweile in der Genesungszeit vom Gelbfieber als Grund an, sie wiedersehen zu wollen. Wie er den Mut gefasst hat, zu ihr zu gehen, weiß er selbst nicht. Er erkennt im Rückblick, dass Handeln oft nicht aus bewussten Entscheidungen resultiert — sondern aus einem inneren Widerspruch zwischen Gedanken und Taten.
Teil 1 — Kapitel 6
Michael trifft Hanna nicht an und wartet auf der Treppe. Sie erscheint schließlich in der Uniform einer Straßenbahnschaffnerin und schickt ihn in den Keller, um Kohle zu holen. Dabei macht er sich allerdings schmutzig. Hanna lacht über seinen Anblick und nennt ihn „Jungchen“. Sie lässt ihm ein Bad ein und säubert seine Kleidung.
Als er nackt aus dem Wasser steigt, ist auch sie nackt. Sie trocknet ihn ab, berührt seinen Körper und schläft zum ersten Mal mit ihm. Michael empfindet Angst, ihr nicht zu genügen, und ist gleichzeitig von ihrer Schönheit überwältigt.
Teil 1 — Kapitel 7
Zu Hause beim Abendbrot erklärt Michael, dass er wieder zur Schule gehen wolle, obwohl der Arzt das noch nicht empfiehlt. Seine neue Selbstsicherheit durch die Beziehung zu Hanna gibt ihm das Gefühl, erwachsener geworden zu sein. Er will das seiner Familie zeigen. Doch Michael verheimlicht ihnen, wo er die Nachmittage verbringt.
Die Familie — bestehend aus einem stillen Vater, einer fürsorglichen Mutter, einem älteren Bruder und zwei Schwestern — ist froh über seine Veränderung. Trotzdem fühlt sich Michael durch seine heimliche Beziehung mit Hannah innerlich aus dem Familienkreis herausgewachsen.
Teil 1 — Kapitel 8
Hanna lehrt Michael, wie man einen Körper berühren kann. Vor dem Sex wird stets geduscht, was Michael zwar nicht mag — weil er ihren natürlichen Geruch liebt — aber hinnimmt.
Erst jetzt erfährt er ihren Vornamen: Hanna. Als sie ihn für siebzehn hält, widerspricht er nicht. Michael schwänzt sogar die Schule, um bei ihr zu sein. Als sie das herausfindet, ist sie zornig und wirft ihn aus dem Bett. Sie stellt ihm eine Forderung: Er darf sie nur wiedersehen, wenn er sich in der Schule anstrengt und den versäumten Stoff aufholt.
Teil 1 — Kapitel 9
Michael bemüht sich um seine schulische Leistung, um Hannas Bedingung zu erfüllen — er schafft es, versetzt zu werden. Er denkt über die Veränderungen, die sein Zusammensein mit Hanna in ihm ausgelöst hat, nach: mehr Selbstsicherheit und ein besseres Ansehen in der Klasse.
Michael fragt Hanna außerdem immer wieder nach ihrer Vergangenheit, aber sie weicht seinen Fragen aus. Mittlerweile haben sie ihr eigenes Ritual: er liest ihr vor, dann duschen sie und schlafen miteinander. Schließlich schlägt Michael vor, gemeinsam zu verreisen. Als Tarnung soll sie sich als seine Mutter ausgeben.
Teil 1 — Kapitel 10
In den Osterferien sucht Michael Hanna gezielt in der Straßenbahn. Er sieht sie schließlich mit Kolleginnen, wagt aber nicht, sie anzusprechen. Stattdessen steigt er in den Wagen hinter ihr. Sie ignoriert ihn ebenfalls. Dieses gegenseitige Ignorieren verletzt Michael sehr. Später in ihrer Wohnung eskaliert die Situation und es kommt zum ersten Streit. Beide werfen einander vor, den anderen nicht erkennen oder kennen zu wollen.
Für Michael ist dieser Moment entscheidend: Obwohl er sich ungerecht behandelt fühlt, bittet er Hanna um Verzeihung und fleht sie an, ihn nicht zu verlassen. In diesem Moment beginnt ein Muster, das ihre Beziehung prägen wird: ein Kreislauf aus Verletzung, Unterwerfung und Versöhnung.
Teil 1 — Kapitel 11
Michael verkauft seine Briefmarkensammlung, um gemeinsam mit Hanna eine mehrtägige Fahrradtour zu finanzieren. Bei einer Übernachtung wacht er früh auf, schreibt Hanna einen Zettel, dass er Frühstück holen geht, und verlässt das Zimmer. Als er zurückkehrt, ist sie halbnackt und außer sich vor Wut. Sie schlägt ihn mit dem Gürtel — überzeugt davon, dass er sie verlassen wollte.
Erst nachdem er ihr erklärt, dass er lediglich Brötchen holen wollte, beruhigt sie sich. Sie weint. Zum ersten Mal zeigt sie sich ihm gegenüber verletzlich und schwach. Der Zettel bleibt verschwunden. Am Ende zitiert Michael ein kurzes Gedicht, das er während der Reise für sie geschrieben hat.
Teil 1 — Kapitel 12
Während seine Eltern mit den älteren Geschwistern verreisen, sollen Michael und seine kleine Schwester bei Freunden unterkommen. Michael bittet, allein zu Hause bleiben zu dürfen. Die Schwester willigt ein, verlangt aber im Gegenzug eine Jeans und einen Nickipullover. Sie bringt Michael dazu, die Kleidung zu stehlen. Dabei nimmt er auch ein Nachthemd für Hanna mit.
In den sieben Tagen, in denen er das Haus für sich hat, lädt er Hanna zu sich ein. Er kocht für sie und lässt sie in sein Leben. Hanna betrachtet aufmerksam seine Umgebung — besonders die Bücher seines Vaters. Doch in seinem Bett möchte sie nicht schlafen. Für die Nacht kehren sie in ihre Wohnung zurück.
Teil 1 — Kapitel 13
Mit dem neuen Schuljahr beginnt für Michael auch ein neuer Abschnitt: Zum ersten Mal sind Mädchen in seiner Klasse. Die Schule fällt ihm nun leichter, sein Auftreten ist selbstsicherer geworden und er kann sich beim Lernen besser konzentrieren. Er wird von seinen Mitschülern respektiert und von den Mädchen beachtet. In seinen Gedanken denkt er über die Wechsel zwischen Sicherheit und Unsicherheit nach. Besonders Sophie, seine Banknachbarin, gefällt ihm. Dennoch vergleicht er sie unweigerlich mit Hanna, die eine eigene, rätselhafte Kraft über ihn hat.
Teil 1 — Kapitel 14
Michael vergleicht seine Beziehung zu Hanna mit dem Gleitflug eines Flugzeugs: getragen, aber gefährdet. Ihr Ritual bleibt konstant: erst Vorlesen, dann Duschen, dann Sex, dann das ruhige Beisammensein. Er liest ihr „Krieg und Frieden“ vor — ein Buch, das auch für ihn neu ist. Gemeinsam tauchen sie in die Welt der russischen Literatur ein. Als er sie spielerisch „Pferd“ nennt, reagiert sie erschrocken und verletzt. Michael erklärt, dass er es liebevoll gemeint habe und kann sie schließlich beruhigen. Sie besuchen gemeinsam das Theater „Kabale und Liebe“.
Neben der Beziehung zu Hanna beginnt Michael, sich stärker in seine Klasse zu integrieren. Er verbringt Zeit mit Freunden im Schwimmbad.
An seinem Geburtstag — von dem Hanna nichts weiß — kommt es erneut zum Streit. Wie gewohnt endet Michael in seiner beschämten, flehenden Haltung.
Teil 1 — Kapitel 15
Michael erkennt, dass er Hanna nun zu verraten beginnt — nicht durch Worte, sondern durch Schweigen. Er verbringt Nachmittage mit seinen Klassenkameraden, geht dann aber regelmäßig früher weg, um zu Hanna zu gehen. Seinen Freunden sagt er nicht, wohin er geht.
Gerade Sophie fragt vorsichtig nach, ob sein Rückzug mit seiner früheren Krankheit zusammenhängt. Michael verneint das. Doch obwohl er Hanna weder verleugnet noch preisgibt, empfindet er sein Verhalten als Verrat. Besonders gegenüber Sophie spürt er den Drang zur Ehrlichkeit. Doch es gelingt ihm nicht, Hanna zu erwähnen.
Teil 1 — Kapitel 16
Michael bemerkt, dass Hanna kaum über ihr Leben spricht. Sie beantwortet viele seiner Fragen nicht. Sie lässt ihn zwar in ihr Leben hinein, aber bestimmt zugleich die Regeln. Michael bekommt seinen festen Platz zugewiesen.
Eine Szene bleibt ihm besonders in Erinnerung: Vor einem Treffen wirkt Hanna angespannt, ihr Verhalten beim gemeinsamen Baden ist intensiver als sonst. Nach dem Sex schickt sie ihn ins Schwimmbad. Dort sieht er sie plötzlich wieder. Sie beobachtet ihn aus der Ferne. Michael ist überrascht, weiß nicht, wie er reagieren soll. Als er sich aufrafft, zu ihr zu gehen, ist sie verschwunden.
Teil 1 — Kapitel 17
Am Tag nach dem Vorfall im Schwimmbad geht Michael wie gewohnt zu Hanna — doch sie ist nicht da. Auch am Abend kommt sie nicht. Er fragt bei der Vermieterin nach, die ihm mitteilt, dass Frau Schmitz ausgezogen sei. Bei der Straßenbahn erfährt er, man habe sie zur Fahrerin befördern wollen, doch sie habe gekündigt. Sie sei weggezogen, nach Hamburg, ohne Adresse. Hanna ist verschwunden. Michael bleibt voller Schuldgefühle zurück. Er denkt, sein Verhalten im Schwimmbad — dass er nicht sofort zu ihr ging — habe sie verletzt. Ihr plötzliches Verschwinden sieht er als Strafe für seinen Verrat.
Zweiter Teil
Der zweite Teil des Romans beginnt sieben Jahre später. Michael studiert nun Jura.
Teil 2 — Kapitel 1
Nach Hannas plötzlichem Verschwinden leidet Michael stark unter ihrer Abwesenheit. Er verspürt körperliche Sehnsucht und ruft ihren Namen im Schlaf. Allmählich verblasst Hannas Präsenz aus seinem Alltag. In der Folgezeit lebt er scheinbar unbeschwert: Abitur, Studium und zwischenmenschliche Beziehungen fallen ihm leicht. Doch diese Leichtigkeit ist trügerisch — sie verdeckt tiefer liegende, ungelöste Gefühle.
Er entwickelt eine kühle, überlegene Fassade, die ihn vor neuer Verletzung schützen soll. Beziehungen wie die zu Sophie zeigen, dass er emotional blockiert ist. Seine Arroganz stößt sogar Lehrer und Familienangehörige vor den Kopf. Rückblickend erkennt er die Mischung aus Kaltschnäuzigkeit und Verletzlichkeit in sich — und dass er Hanna zwar vergessen wollte, aber nicht verarbeitet hatte.
Teil 2 — Kapitel 2
Im Jurastudium nimmt Michael an einem Seminar über die juristische Aufarbeitung der NS-Zeit teil. Der Professor lässt die Studierenden einen Kriegsverbrecherprozess begleiten. Michael fühlt sich dieser Gruppe Studierenden zugehörig und gibt seine distanzierte Haltung mehr und mehr auf. Das gemeinsame moralische Engagement verbindet sie und stärkt ihr Wir-Gefühl. Sie verurteilen auch ihre eigenen Eltern für deren Schweigen oder Duldung. Die Beschäftigung mit den Gräueltaten wird zu einer Art moralischer Selbstvergewisserung. Michael fühlt sich erstmals wieder im Einklang mit sich und seiner Umwelt.
Teil 2 — Kapitel 3
Am vierten Prozesstag ist Michael mit seiner Seminargruppe vor Ort im Gerichtssaal. Es herrscht gespannte Aufbruchstimmung — sie wollen zur „Aufarbeitung“ beitragen. Michael erkennt Hanna unter den fünf Angeklagten. Sie ist gealtert, aber unverkennbar.
Hanna wird beschuldigt, als KZ-Aufseherin in Auschwitz und später in Krakau tätig gewesen zu sein. Ihre gleichgültige Haltung gegenüber behördlichen Vorladungen wird ihr nun als Fluchtgefahr ausgelegt. Michael sieht, dass sie einen schlechten Anwalt hat, der ihrer Lage nicht gewachsen ist. Gleichzeitig ist Michael erschrocken über seine eigene Reaktion: Er empfindet Hannas Anklage als „richtig“, weil sie damit aus seinem Leben verschwinden würde.
Teil 2 — Kapitel 4
Michael besucht mehr Prozesstage als nötig. Hanna zeigt kaum Regung und meidet jegliche Interaktion — auch mit ihm. Die Grausamkeit der Verbrechen und die Monotonie des Prozesses stumpfen alle Beteiligten ab. Michaels Erinnerungen an die Zeit mit Hanna sind präsent, doch durch das Wissen über ihre Schuld erleben sie einen schmerzhaften Bruch. Er stellt sich die zentrale Frage seiner Generation: Wie mit der Schuld der Elterngeneration umgehen?
Teil 2 — Kapitel 5
Die Anklage wirft den fünf Frauen Selektionen in einem KZ-Außenlager vor — monatlich wurden sechzig schwache Frauen nach Auschwitz geschickt, um dort zu sterben. In einer Bombennacht wurden Gefangene in einer Kirche eingesperrt, die bei einem Angriff abbrannte. Nur zwei Frauen, Mutter und Tochter, überlebten. Letztere tritt als Nebenklägerin auf und hat ein Buch über die Ereignisse geschrieben.
Teil 2 — Kapitel 6
Hanna widerspricht Aussagen der Anklage deutlich und gibt zu, was sie für gerechtfertigt hält. Sie ist ungeschickt, aber aufrichtig. Ihre Antworten verwirren das Gericht — besonders, weil sie keine Strategie zu haben scheint. Als einzige gesteht sie schließlich die Beteiligung an den Selektionen. Michael erkennt: Sie versteht die Regeln des Prozesses nicht und ist ihrer Verteidigung schutzlos ausgeliefert.
Teil 2 — Kapitel 7
Die Mitangeklagten belasten Hanna schwer: Sie habe sich kranke Häftlinge als „Lieblinge“ ausgesucht, sie schonend behandelt, aber dann selbst zur Selektion geschickt. Die überlebende Tochter berichtet, diese Mädchen hätten Hanna regelmäßig vorlesen müssen. Als das erwähnt wird, dreht Hanna sich zu Michael um. Er erkennt: Sie hätte sich entlasten können, wollte aber nicht über das Vorlesen sprechen — aus Scham oder Stolz.
Teil 2 — Kapitel 8
Michael liest die englische Fassung des Buches der überlebenden Tochter. Sie beschreibt eine Aufseherin, „die Stute“ genannt — Michael vermutet, dass damit Hanna gemeint ist, und denkt an ihren Ausbruch, als er sie einmal „Pferd“ nannte. Der Bericht schildert die chaotischen Zustände in den letzten Kriegstagen, den Gewaltmarsch und die Bombennacht, in der auch einige Aufseherinnen umkamen. Mutter und Tochter konnten entkommen.
Teil 2 — Kapitel 9
Als der Richter alle Angeklagten fragt, warum niemand die Kirchentür öffnete, geben alle an, sie hätten keine Möglichkeit dazu gehabt. Eine Mitangeklagte beschuldigt Hanna, den belastenden Bericht verfasst zu haben. Hanna streitet ab, doch als der Richter eine Schriftprobe anordnet, gesteht sie plötzlich: Sie habe den Bericht geschrieben.
Teil 2 — Kapitel 10
Michael erinnert sich nicht an die Inhalte des Seminars, dafür aber intensiv an seine Sonntagsspaziergänge in der Natur. Dort fand er Ruhe, während er gedanklich weiter über Hanna nachgrübelt. Dabei kommt er zu einer einschneidenden Erkenntnis: Hanna ist Analphabetin und kann weder lesen noch schreiben. Er versteht rückblickend viele ihrer Verhaltensweisen — etwa ihre Ausbrüche oder Geständnisse — als Ausdruck von Scham über ihr Geheimnis.
Auch ihr Verhalten im Prozess erscheint ihm nicht mehr wie Kaltherzigkeit, sondern als eine Abwehrreaktion aus Angst vor Entlarvung. Michael überlegt, ob Hannas Analphabetismus eine Mitschuld an den Verbrechen relativieren kann. Er stellt sich viele Fragen: Ist ihre Scham ein nachvollziehbarer Grund für ihr Schweigen? Und macht ihn selbst seine frühere Liebe zu einer Verbrecherin mitschuldig?
Teil 2 — Kapitel 11
Im Prozess machen sich die anderen Angeklagten Hannas Geständnis zunutze, um ihr die Hauptschuld zuzuschieben. Weil Hanna jünger, bestimmter und weniger gebrochen wirkt als die anderen Frauen, sehen viele in ihr die Anführerin. Hanna wehrt sich gegen falsche Anschuldigungen, gibt aber zu, was wahr ist. Ihre Aussagen werden zunehmend kürzer — schließlich resigniert sie.
Michael erkennt, dass er als Zuschauer im Prozess nun zum Mitverantwortlichen geworden ist. Er überlegt, ob er dem Richter Hannas Analphabetismus offenbaren soll. Doch er weiß auch, dass Hanna diese Bloßstellung nie akzeptieren würde — ihr ist ihre Würde wichtiger als eine mildere Strafe.
Teil 2 — Kapitel 12
Michael sucht ein Gespräch mit seinem Vater, einem Philosophieprofessor, um moralischen Rat zu seiner Zerrissenheit zu erhalten. Der Vater hört aufmerksam zu, verlangt keine Details und bleibt respektvoll zurückhaltend. Schließlich beginnt er mit einer philosophischen Ausführung über Menschenwürde, Freiheit und das Recht, nicht zum Objekt gemacht zu werden.
Michael wartet gespannt auf eine konkrete Antwort, bekommt aber nur eine abstrakte Belehrung. Es wird klar, dass sein Vater keine einfache Lösung anbietet — und vielleicht auch keine geben kann. Michael bleibt mit seinem inneren Konflikt allein zurück. Die Frage, ob er Hanna retten oder ihr Schweigen respektieren soll, bleibt ungelöst.
Teil 2 — Kapitel 13
Die Verhandlung wird unterbrochen, da die überlebende Mutter der Opfer in Israel vernommen wird. Diese zwei Wochen lassen Michael nicht zur Ruhe kommen: Er wird von Erinnerungen an Hanna heimgesucht, die sich mit dem neu erworbenen Wissen über sie aus dem Prozess vermischen. Seine Gedanken sind von erotischen Fantasien geprägt, die ihn einerseits erregen, andererseits zutiefst beschämen.
Er ringt mit Schuldgefühlen und versucht, Hannas Schuld und die Lebensumstände in den Konzentrationslagern zu begreifen. Dabei stellt er Vergleiche zwischen dem damaligen Leben in den Lagern und dem gegenwärtigen Gerichtsprozess an, um ein tieferes Verständnis zu entwickeln — vergeblich.
Teil 2 — Kapitel 14
Per Anhalter reist Michael zum ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsass. Er will sich nicht länger mit abstrakten Bildern und Vorstellungen zufriedengeben, sondern das Grauen der Vergangenheit selbst sehen. Während der Fahrt unterhält sich der Fahrer mit ihm über Mordmotive im Allgemeinen und über das Töten während des Holocausts im Besonderen.
Der Mann behauptet, die Täter hätten nur ihre Arbeit gemacht und sich nicht um das Leid der Opfer gekümmert. Michaels Widerspruch bleibt stumm, bis der Fahrer scheinbar persönliche Einblicke in Täterperspektiven gibt. Als Michael ihn schließlich direkt fragt, ob er selbst einer der Täter war, wird er aus dem Wagen geworfen.
Teil 2 — Kapitel 15
Michael berichtet von einem weiteren Besuch im Lager Struthof — später, als Erwachsener. Die verschneite, friedliche Landschaft steht im scharfen Gegensatz zum Grauen der Vergangenheit. Das Lager wirkt fast harmlos, was ihn beschämt, weil er sich das Leid kaum vorstellen kann.
Bei der Rückfahrt entdeckt er eine kleine Gaskammer, steigt aber nicht aus. Später in einem Dorf isst er im Restaurant und fühlt sich unsicher, wie man sich nach so einem Besuch verhalten soll. In der Nacht überkommt ihn eine diffuse, körperliche Angst. Er ringt damit, Hannas Verbrechen gleichzeitig verstehen und verurteilen zu wollen, ohne eine Seite aufzugeben — doch beides gelingt ihm nicht.
Teil 2 — Kapitel 16
Michael beschließt, den Vorsitzenden Richter des Prozesses aufzusuchen. Nicht aus Gerechtigkeitssinn, sondern weil er hofft, so wenigstens einen indirekten Einfluss auf Hanna zu gewinnen. Der Richter empfängt ihn freundlich, spricht über seinen Beruf und interessiert sich für Michaels Studium. Doch Hanna und ihr Schicksal bleiben unausgesprochen. Michael erkennt, dass er keine Hilfe erhoffen kann — das Gespräch bleibt oberflächlich.
Teil 2 — Kapitel 17
Ende Juni wird das Urteil gesprochen: Hanna wird zu lebenslanger Haft verurteilt. Die anderen Angeklagten erhalten zeitlich begrenzte Strafen. Die Zuschauer im Gerichtssaal reagieren empört. Nicht nur auf das Urteil, sondern auch auf Hannas Auftreten.
Sie trägt ein schwarzes Kostüm mit weißer Bluse und Krawatte, das an eine SS-Uniform erinnert. Die Anwesenden beschimpfen sie lautstark. Michael beobachtet die Szene, sucht Hannas Blick, doch sie scheint ihn nicht mehr wahrnehmen zu wollen. Sie wirkt, als hätte sie sich vollständig von der Welt abgewendet — innerlich wie äußerlich.
Dritter Teil
Teil 3 — Kapitel 1
Nach dem Prozess stürzt sich Michael obsessiv ins Studium, isoliert sich sozial und betäubt seine Gefühle. Auf einer Skifreizeit ignoriert er Warnsignale seines Körpers, spürt keine Kälte, bis ihn hohes Fieber ins Krankenhaus zwingt. Danach kehren seine Gefühle zurück: Schuld, Scham, Angst. In der aufkommenden Studentenbewegung bleibt er außen vor — nicht aus Desinteresse, sondern weil seine Schuldgefühle persönlicher Natur sind.
Die NS-Vergangenheit wird für viele Kommilitonen zum Ventil für einen Generationenkonflikt. Michael hingegen kann niemandem die Schuld zuschieben, ohne sich selbst anzuklagen: Seine Liebe zu Hanna, einer Täterin, lässt ihn vereinsamt zurück — unfähig, sich mit der Selbstgerechtigkeit seiner Generation zu identifizieren.
Teil 3 — Kapitel 2
Michael heiratet seine Mitstudentin Gertrud, als sie schwanger wird. Sie bekommen eine Tochter namens Julia. Er erzählt Gertrud nie von Hanna, vergleicht sie aber ständig mit ihr. Auch nach der Scheidung bleibt Hanna ein Maßstab für seine späteren Beziehungen. Doch obwohl er bewusst Frauen wählt, die ihr ähneln, hilft es ihm nicht, innerlich frei zu werden. Die Trennung verläuft sachlich, nur die Trauer der Tochter macht ihm zu schaffen.
Teil 3 — Kapitel 3
Während des zweiten Staatsexamens stirbt Michaels Professor aus dem KZ-Seminar. Auf dem Weg zur Beerdigung überkommen ihn Erinnerungen an Hanna. Dort begegnet er einem ehemaligen Kommilitonen, der sich an Michaels auffälliges Verhalten während des Prozesses erinnert. Er fragt offen, was damals zwischen Michael und Hanna war — doch Michael weicht der Frage aus.
Teil 3 — Kapitel 4
Nach dem Referendariat fällt Michael die Berufswahl schwer. Gertrud wird Richterin. Michael er bleibt zunächst zu Hause bei Tochter Julia. Die juristischen Rollen aus Hannas Prozess — Ankläger, Verteidiger, Richter — empfindet er als lebensfern und verzerrt.
Ein Professor bietet ihm schließlich eine Stelle als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Rechtsgeschichte an. Gertrud sieht darin eine Flucht und sie hat recht. Michael bleibt dauerhaft in der Forschung, zieht sich immer weiter zurück, findet aber auch Befriedigung in der historischen Arbeit. Die „Odyssee“, ein Buch aus seiner Jugend, gewinnt wieder an Bedeutung für ihn: kein endgültiges Ankommen, sondern ein ewiges Aufbrechen — wie im Recht selbst.
Teil 3 — Kapitel 5
Nach der Trennung von Gertrud leidet Michael unter Schlafstörungen. In den langen Nächten beginnt er laut zu lesen. Da ihn die Gedanken an Hanna nicht loslassen, nimmt er seine Lesungen auf Kassetten auf — für sie. Es dauert Monate, bis er das erste Paket mit Kassetten und einem Rekorder an ihre Gefängnisadresse losschickt. Über zehn Jahre hinweg sendet er regelmäßig Aufnahmen: Werke von Homer, Tschechow, Heine, Fontane und auch eigene Texte. Für ihn wird das Vorlesen ein Weg, mit Hanna in Kontakt zu bleiben — ohne direkten Austausch.
Teil 3 — Kapitel 6
Vier Jahre nach der ersten Kassette erhält Michael den ersten Brief von Hanna. Sie nennt ihn wieder „Jungchen“. Es wird klar, dass sie mit Hilfe der Kassetten lesen und schreiben gelernt hat. Michael antwortet nie schriftlich, aber er schickt weiter regelmäßig Kassetten. Er ist stolz auf Hannas Entwicklung, bleibt aber auf Distanz.
Teil 3 — Kapitel 7
Michael erhält überraschend einen Brief von der Gefängnisleiterin. Hanna habe nur Kontakt zu ihm, daher solle er ihr bei der Wiedereingliederung helfen. Er organisiert für sie eine Wohnung und eine Arbeitsstelle bei einem griechischen Schneider. Obwohl er alles Notwendige tut, schiebt er einen Besuch bei Hanna immer wieder hinaus. Ihn plagt die Angst, dass der direkte Kontakt ihre distanzierte Beziehung zerstören könnte.
Die Kommunikation über Kassetten ist für ihn ein sicherer Abstand. Schließlich wird die Begnadigung Hannas beschlossen. Die Leiterin ruft ihn an und bittet ihn, endlich zu kommen — Hanna werde in einer Woche entlassen. Widerwillig stimmt er einem Besuch zu.
Teil 3 — Kapitel 8
Michael besucht Hanna im Gefängnis. Er erkennt sie kaum wieder: Sie ist gealtert, trägt ein enges Kleid und wirkt müde. Als sie ihn erkennt, freut sie sich zunächst, aber ihre Enttäuschung darüber, dass er so lange fernblieb, ist spürbar. Sie reden über die geplante Entlassung, die Wohnung, die Arbeit. Hanna sagt, sie habe das Vorlesen geliebt und bedauert, dass dies nun wohl vorbei sei.
Michael lobt sie für das Schreibenlernen. Als er sie fragt, ob sie damals über ihre Schuld nachdachte, antwortet sie, dass sie sich stets unverstanden fühlte — nur die Toten fordern Rechenschaft. Ihre Worte bleiben im Raum stehen und das Gespräch endet unbeholfen. Zum Abschied umarmt er sie, doch es fühlt sich fremd an.
Teil 3 — Kapitel 9
In der Woche vor Hannas Entlassung ist Michael mit Arbeit überlastet und innerlich zerrissen. Sein wissenschaftlicher Vortrag bringt nicht die gewünschten Ergebnisse und gleichzeitig richtet er Hannas Wohnung ein und organisiert letzte Details. Immer wieder plagen ihn Schuldgefühle, besonders wenn er an Hannas enttäuschten Blick denkt.
Am Tag vor ihrer Entlassung telefoniert er mit der Gefängnisleitung, die ihn warnt: Hanna habe sich auf keinen begleiteten Ausgang eingelassen, was ungewöhnlich sei. Beim anschließenden Telefonat mit Hanna stichelt sie über seine Planungen — ein Kommentar, der ihn irritiert. Sie beruhigt ihn, es sei nicht böse gemeint. Ihm fällt auf, dass Hannas Stimme jung geblieben ist.
Teil 3 — Kapitel 10
Am Morgen ihrer Entlassung erhängt sich Hanna in ihrer Zelle. Michael erfährt es von der Gefängnisleiterin und sie zeigt ihm ihre Zelle. Dort sieht er Hannas persönlichen Besitz: Bücher über Konzentrationslager, seine Kassetten und ausgeschnittene Naturbilder. Besonders bewegt ihn ein altes Foto von seiner Abiturfeier, das Hanna besessen hatte.
Die Leiterin erzählt, dass Hanna gehofft hatte, er würde ihr einmal einen Brief schreiben. Ein Brief von ihr an ihn enthält nur einen letzten Wunsch: das gesparte Geld solle an ein überlebendes Lageropfer übergeben werden. Am Ende darf er Hannas Leichnam sehen. Ihr Gesicht zeigt weder Frieden noch Qual, aber für einen Moment scheint ihr früheres Ich durch.
Teil 3 — Kapitel 11
Im Herbst reist Michael nach New York, um Hannas Wunsch zu erfüllen und der überlebenden Tochter das Geld zu übergeben. Unterwegs träumt er von einem gemeinsamen Leben mit Hanna in herbstlicher Landschaft.
Die Tochter empfängt ihn sachlich und distanziert. Als er ihr Hannas Geld übergeben will, lehnt sie es ab. Sie erklärt, dass die Annahme für sie einer Art Vergebung gleichkäme, die sie Hanna nicht erteilen könne.
In einem offenen Gespräch erzählt Michael ihr von seiner Beziehung zu Hanna. Die Tochter reagiert mit Verständnis, macht Hanna jedoch mitverantwortlich für Michaels späteres unglückliches Leben und seine gescheiterte Ehe. Am Ende einigen sich beide darauf, das Geld einer jüdischen Organisation zu spenden, die sich gegen Analphabetismus einsetzt.
Teil 3 — Kapitel 12
Das letzte Kapitel spielt in der Gegenwart. Michael blickt auf seine Beziehung zu Hanna zurück und beschreibt seine ambivalenten Gefühle: Er empfindet sowohl Zorn auf sie als auch Schuldgefühle und fragt sich, ob er sich früher von ihr hätte lösen sollen. Doch mit der Zeit haben diese Fragen für ihn an Bedeutung verloren.
Er berichtet, dass der Prozess, ihre gemeinsame Geschichte aufzuschreiben, fast zehn Jahre gedauert habe, obwohl die Idee dazu unmittelbar nach Hannas Tod entstanden sei. Erst jetzt sei er in der Lage, ohne Urteil und mit einer gewissen inneren Distanz zu erzählen.
Ein einziges Mal besuchte Michael Hannas Grab. Dabei legte er ihr den Brief der jüdischen Organisation aufs Grab, in dem sich diese für ihre Spende bedankt — eine stille Geste des Abschieds und vielleicht auch der Versöhnung.
Der Vorleser — Interpretation
Für den Roman „Der Vorleser“ gibt es verschiedene Interpretationsansätze. Im Vordergrund steht vor allem die Schuldfrage. Damit ist zum einen die Schuld der Bevölkerung nach dem 2. Weltkrieg gemeint. Zum anderen kannst du die Schuldfrage auf die persönliche Ebene von Michael und Hanna übertragen. Michael beschäftigt sich intensiv damit, wer für die Verbrechen des Holocaust, insbesondere den Massenmord an Juden und anderen Minderheiten, verantwortlich ist. Er erkennt, dass Hanna als Aufseherin in einem Konzentrationslager eine Mittäterin war.
Michael ist sich jedoch unsicher, inwiefern auch andere Menschen schuldig sind, und hadert mit seiner eigenen Haltung gegenüber Hanna. Er fühlt sich ihr gegenüber schuldig — insbesondere, weil sie Analphabetin ist und er weiß, dass sie das nicht offenbaren wollte. Er weiß nicht, ob er dem Richter davon erzählen soll. Dadurch würde ihre Strafe milder ausfallen, weil sie dann nicht den Bericht hätte verfassen können.
Ein weiteres wichtiges Motiv im Roman ist die Verheimlichung. Zunächst müssen Hanna und Michael ihre Beziehung geheim halten. Später verbirgt Hanna ihre Vergangenheit und vor allem ihren Analphabetismus vor ihm und anderen. Diese Geheimnisse führen letztlich zum Scheitern ihrer Beziehung und Hanna flieht vor der Konfrontation mit der Wahrheit. Erst nach und nach werden im Verlauf der Handlung viele der Geheimnisse enthüllt.
Darüber hinaus spiegelt das Verheimlichen auch das größere gesellschaftliche Thema wider: Das Schweigen und Verdrängen der Nachkriegsgeneration über die NS-Verbrechen und die damit verbundenen Schuldfragen.
Der Vorleser — Zeitgeschichtliche Einordnung
Während der Entstehung des Romans war die Gesellschaft vor allem durch die Wiedervereinigung Deutschlands 1990 geprägt. Damit endete auch der Kalte Krieg und Ideologien wie der Kommunismus verloren an Einfluss. Die Wiedervereinigung bedeutete für viele Menschen einen Neuanfang, bei dem die Individualität und die persönliche Freiheit immer wichtiger wurden. Außerdem gab es immer mehr neue Technologien, wie das Handy und später auch soziale Medien. Sie sorgten für tiefgreifende Veränderungen im Alltag und in der Kommunikation.
Diese gesellschaftlichen Umbrüche spiegeln sich auch in der Literatur wider: Der Roman lässt sich sowohl der Postmoderne als auch der Gegenwartsliteratur zuordnen. Sowohl die Postmoderne als auch die Gegenwartsliteratur — die literarische Epoche, in der wir uns aktuell befinden — zeichnen sich durch eine große Vielfalt an Themen und Erzählweisen aus. Sie reflektiert oft aktuelle gesellschaftliche Entwicklungen und individuelle Lebensrealitäten.
Im Roman „Der Vorleser“ zeigt sich das unter anderem darin, dass keine einfachen Antworten auf Schuld- und Vergebungsfragen gegeben werden. Die Hauptfigur Michael ist ein typischer Außenseiter, der zunächst isoliert ist und erst durch seine Beziehung zu Hanna eine tiefere Verbindung und Auseinandersetzung mit sich und der deutschen Vergangenheit erfährt. Solche komplexen Charaktere und die Reflexion persönlicher wie gesellschaftlicher Schuld sind typische Merkmale der Postmoderne und Gegenwartsliteratur.
Der Vorleser Zusammenfassung — häufigste Fragen
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Was passiert in „Der Vorleser“? In „Der Vorleser“ geht es um den jungen Michael Berg, der eine Beziehung zur älteren Hanna Schmitz beginnt. Später stellt sich heraus, dass Hanna während des Zweiten Weltkriegs als KZ-Aufseherin gearbeitet hat. Die Enthüllung dieser Wahrheit verändert Michaels Leben und führt zu tiefgreifenden Fragen nach Schuld, Verantwortung und der Verarbeitung der NS-Vergangenheit. -
Was wird in „Der Vorleser“ thematisiert? In „Der Vorleser“ geht es um die Schuldfrage und das moralische Dilemma des Jura-Studenten Michael Berg. Er will Kriegsverbrecher bestrafen, steht aber vor einem Konflikt, da seine ehemalige Geliebte eine KZ-Aufseherin war. Das Buch beleuchtet die Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit und die Komplexität persönlicher Beziehungen im Angesicht historischer Verbrechen. -
Was ist die Kernaussage von „Der Vorleser“? Für den Roman „Der Vorleser“ gibt es verschiedene Interpretationsansätze. Im Vordergrund steht vor allem die Schuldfrage. Damit ist die Schuld der Bevölkerung nach dem 2. Weltkrieg gemeint. Sie lässt sich aber auch auf Michaels Schuldgefühle gegenüber Hanna beziehen.
Der Vorleser — Interpretation
Super, jetzt kennst du den Inhalt vom Roman „Der Vorleser“! Wenn du noch Hilfe bei der Interpretation brauchst, hilft dir unser Video dazu sicher weiter.