Vor dem Gesetz – Interpretation
Du sollst Kafkas Parabel „Vor dem Gesetz“ interpretieren? In unserem Beitrag stellen wir dir drei Ansätze für deine „Vor dem Gesetz“ Interpretation vor.
Inhaltsübersicht
Vor dem Gesetz Interpretation — Übersicht
„Vor dem Gesetz“ ist eine Parabel von Franz Kafka, die 1915 veröffentlicht wurde. Du nennst sie auch „Türhüterlegende“. In der Parabel geht es um einen „Mann vom Lande“, der erfolglos versucht, eine Tür zum Gesetz zu durchqueren, die von einem Türhüter bewacht wird.
Gut zu wissen: Die Türhüterparabel von Kafka ist auch Teil des Romans „Der Prozess“ und kommt im Dom-Kapitel vor.
Hier kannst du dir die Türhüterlegende durchlesen.
Vor dem Gesetz — Einleitung
In der Einleitung zu deiner Interpretation zu „Vor dem Gesetz“ nennst du die wichtigsten Fakten zur Parabel und fasst kurz den Inhalt zusammen. Am Ende der Einleitung formulierst du auch eine Deutungshypothese. Das bedeutet, dass du eine Behauptung über das Gedicht aufstellst und diese im Laufe der Interpretation begründest.
Vor dem Gesetz Interpretation — Beispiel:
Franz Kafkas Parabel „Vor dem Gesetz“ wurde 1915 veröffentlicht. Sie kommt außerdem im Roman „Der Prozess“ vor, der nach Kafkas Tod veröffentlicht wurde. In der Parabel geht es um einen Mann, der vergeblich versucht, die Tür zum Gesetz zu durchqueren. Er wird jedoch von einem Türhüter davon abgehalten. Deshalb verbringt der Mann den Rest seines Lebens damit, vor der Tür zu warten. Im Folgenden soll die Parabel „Vor dem Gesetz“ interpretiert werden. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Kafkas Verhältnis zu seinem Vater, das sich in der Beziehung zwischen dem Mann und dem Türhüter widerspiegelt.
Vor dem Gesetz — Zusammenfassung
Danach beschreibst du in deiner Interpretation kurz den Inhalt.
In „Vor dem Gesetz“ geht es um einen „Mann vom Lande“, der an die Tür zum Gesetz kommt und eingelassen werden möchte. Der Türhüter, der die Tür bewacht, verweigert dem Mann jedoch den Einlass und sagt: „Es ist möglich … jetzt aber nicht.“ Daraufhin entschließt sich der Mann, vor der Tür zu warten.
Er bleibt dort mehrere Jahre und versucht immer wieder, den Türhüter um Erlaubnis zu bitten, einzutreten. Mit der Zeit versucht er sogar, den Türhüter zu bestechen, aber auch diese Versuche bleiben ohne Erfolg.
Als der Mann schließlich alt und schwach ist, stellt er dem Türhüter eine letzte Frage. Er will wissen, warum in all den Jahren nie jemand anderes vor die Tür zum Gesetz getreten ist und nach Einlass verlangt hat. Daraufhin erhält er folgende Antwort vom Türhüter: „Hier konnte niemand sonst Einlass erhalten, denn dieser Eingang war nur für dich bestimmt. Ich gehe jetzt und schließe ihn.“
Vor dem Gesetz — Interpretation
Nun geht es an die Interpretation des Textes. Für „Vor dem Gesetz“ von Kafka gibt es verschiedene Interpretationsansätze. Zum Beispiel kannst du dir biografische Bezüge genauer anschauen, die Parabel in einen religiösen Kontext setzen oder sie in Bezug auf Politik und Gesellschaft analysieren.
Biografische Interpretation
Eine beliebte Interpretation des Werks orientiert sich am Autor selbst. Franz Kafka hatte während seines gesamten Lebens eine schwierige Beziehung zu seinem Vater. Diese verarbeitete er auch häufig in seinen Werken. Denn Franz Kafka wollte am liebsten beruflicher Schriftsteller werden, heiraten und eine Familie gründen. Doch sein Vater bestand darauf, dass Kafka einer Karriere als Versicherungsjurist nachging. Kafka fühlte sich deshalb gefangen in einem langweiligen und einsamen Leben, das für ihn keinen wirklichen Sinn hatte.
Diese schwierige Beziehung zwischen Vater und Sohn erkennst du auch in „Vor dem Gesetz“. Der Türhüter gleicht Kafkas autoritärem Vater, denn er fällt — scheinbar willkürlich — Entscheidungen und hat deshalb Macht über den Mann vom Lande. Dieser hingegen, wie Kafka selbst, sucht nach dem Gesetz, nach dem Sinn des Lebens.
Jedoch wird der Mann vom Lande sein Leben lang zurückgehalten. Er kann nicht vorwärts durch die Tür gehen, sondern ordnet sich immer den Befehlen des Türhüters unter. Der Mann findet nie den Mut, sich durchzusetzen, sondern stirbt einsam und verbittert. Die Parabel verdeutlicht also, wie hilflos Kafka sich selbst in der Beziehung zu seinem Vater wahrgenommen hat.
Religiöse Interpretation
Du kannst die Parabel auch aus religiöser Sicht betrachten. Der Mann vom Land stellt in dieser Auslegung einen Gläubigen dar, der nach tieferer Erkenntnis (dem Gesetz) strebt. Der Türhüter steht entweder stellvertretend für einen Priester oder einen anderen Geistlichen. Gleichzeitig kann der Türhüter aber auch für die Religion als Ganzes stehen, die dem Menschen das Reich Gottes verspricht, es ihn aber nie erreichen lässt.
Denn auf die Frage, warum er nicht durch die Tür gehen könne, erfährt der Suchende nur, dass es noch nicht Zeit sei. Letztendlich verbringt der Suchende sein ganzes Leben mit dem Warten vor der Tür. Im übertragenen Sinne sucht der Mensch also sein gesamtes Leben über nach der Erkenntnis und nach Gott. Die Religion und ihre geistlichen Vertreter tragen dazu bei, dass der Mensch sein ganzes Leben ausharrt. Er wird nie durch die Tür gelassen und findet somit nie einen tieferen Sinn.
Gesellschaftlich-politische Interpretation
„Vor dem Gesetz“ kannst du aber auch mit Bezug auf den Roman „Der Prozess“ interpretieren. In dem kommt die Parabel nämlich vor. Der Mann vom Lande steht dabei stellvertretend für den Protagonisten Josef K., der in einem geheimnisvollen Prozess angeklagt ist.
Er versucht dabei — genau wie der Mann vom Land — hinter die Türen des Gesetzes, also der Justiz zu blicken und so Klarheit für seinen Prozess zu bekommen. Denn Josef K. weiß nicht einmal, warum er angeklagt wurde. Aber er kommt der Lösung nie näher, denn das Justizsystem ist undurchdringbar, ebenso wie der Türhüter vor der Tür zum Gesetz.
Aus diesem Kontext heraus lässt sich die Bedeutung auch gut auf die Gesellschaft im Allgemeinen übertragen. Kafka kritisiert in seinem Werk die Bürokratie, die die Menschen davon abhält, die Abläufe im Staat klar zu durchschauen. Genau wie der Mann vom Land und Josef K. sind die Menschen dem Staat und seinen mysteriösen Verwaltungsprozessen hilflos ausgeliefert.
Solche bedrohlichen Situationen bezeichnest du auch als kafkaesk. Nicht die Menschen selbst haben ihr Schicksal in der Hand, sondern ein anonymer Staat, der scheinbar wahllos Entscheidungen über die Menschen trifft.
Tipp: In diesem Beitrag findest du ein weiteres Beispiel einer Interpretation zu Kafkas Parabel „Der Geier“.
Kafkaesk
Jetzt kennst du die „Vor dem Gesetz“ Interpretation. Hast du schon mal vom Begriff kafkaesk gehört? Was sich dahinter verbirgt, erfährst du hier.